Absturz von FlatexDEGIRO – Chronik und Auswirkungen auf Kunden
Sonderprüfung der BaFin bei einem der führenden europäischen Online-Broker: Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) kritisierte die Unternehmensführung und interne Organisation des Online-Brokers flatexDEGIRO. Der Aktienkurs des Brokers fiel aufgrund der schlechten Nachrichten um über 30 Prozent und hat sich seit dem noch nicht wirklich wieder erholt. Müssen Anleger sich jetzt um ihre Einlagen sorgen?
Das Wichtigste auf einen Blick:
- FlatexDEGIRO reagiert auf BaFin Ergebnis der Sonderprüfung.
- Umgehende Erweiterung des Vorstandes.
- Umgehende Erhöhung des Kernkapitals.
- Keine Auswirkungen auf Kundenkonten, Kundenservices etc.
BaFin Sonderprüfung: Von aufstrebenden Finanzunternehmen zum Sorgenkind?
Es war einmal ein gewisser Bernd Förtsch, der im Jahr 1999 mit der Gründung der sogenannten Pre.IPO Ag beschloss, sein Wissen über die Börsenmärkte in ein eigenes Unternehmen einzubringen. Damit war der Grundstein gelegt, für das, was dann in Form der Börsenmedien AG, der Flatex AG, mit dem Online-Broker Flatex und letztendlich als FlatexDEGIRO AG als eines der bekanntesten deutschen Finanzunternehmen agiert. Eine Erfolgsgeschichte, die mit dem Börsengang der Flatex AG im Jahr 2009 einen Höhepunkt verzeichnete. Mittlerweile ist das Unternehmen im SDAX gelandet.
FlatexDEGIRO AG betreibt mit den Marken flatex und DEGIRO eine der führenden Online-Brokerage-Plattformen Europas für den Wertpapierhandel und verzeichnet nach eigenen Angaben einen Kundenstamm von rund 2,9 Millionen Nutzern. Doch nun hat diese Erfolgsgeschichte erhebliche Kratzer bekommen und dafür zeichnet niemand anders verantwortlich als die deutsche Finanzaufsicht namens BaFin. Und wenn bekanntermaßen die BaFin einschreitet, dann handelt es sich definitiv nicht um irgendwelche Belanglosigkeiten, sondern um elementare Mängel beim Unternehmen selbst. Was ist also passiert?
BaFin unterzieht FlatexDEGIRO einer Sonderprüfung
Begonnen hat es damit, dass die BaFin das Unternehmen FlatexDEGIRO einer Sonderprüfung unterzogen hat. An sich nichts Außergewöhnliches, denn Prüfungen sind generell ein wesentliches Aufgabengebiet der BaFin und auch eine Sonderprüfung muss an sich noch nicht einmal einen triftigen Grund haben. Da kann schonmal das Zufalls-Prinzip zum Tragen kommen.
Entscheidend ist dann, was am Ende dieser Sonderprüfung seitens der Finanzaufsicht zum Vorschein kommt und da hakt es nach Auffassung der Finanzprüfer bei FlatexDEGIRO an so manch einer Stelle doch in erheblichem Maße. Vor allem wird aber die Organisation als auch die Art und Weise der Unternehmensführung in erheblichem Maße bemängelt.
So ist in diesem Prüfbericht, der dem Unternehmen seit Ende November nach eigenen Angaben vorliegt, die Rede davon, dass dem Unternehmen „die Schaffung und Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation“ als auch eine „vorübergehende zusätzliche Eigenmittelanforderungen“ auferlegt beziehungsweise angeordnet wird. Insbesondere der letzte Punkt sorgt indes für Aufregung.
Steckt das Unternehmen etwa in finanziellen Schwierigkeiten? Müssen Kunden des Unternehmens Angst um ihr Geld haben? Blicken wir ein wenig auf die wirtschaftlichen Details des Unternehmens und welche Maßnahmen FlatexDEGIRO nach Bekanntwerden des BaFIn Prüfberichts unternommen hat.
Wirtschaftliche Situation von FlatexDEGIRO
Kunden, die sich darum sorgen, inwieweit das Unternehmen finanziell angeschlagen sein könnte, lässt sich mit folgenden Zahlen vorerst mal widerlegen:
- EBITDA September 2022 = 126,7 Millionen Euro -Steigerung um 52,2 %
- EBITDA-Marge von 42,0 Prozent (jetzt allerdings aufgrund der Veröffentlichungen auf 37 % reduziert)
- Pro Kopf (Kunden) Umsatz je Transaktion von über 5 €
- Nettomittelzuflüsse von 5 Milliarden Euro von JAN 2022 bis SEP 2022
Was jedoch auch Fakten darstellt:
Von der Unternehmensbewertung an der Börse von über drei Milliarden Euro im Sommer 2021 ist das Unternehmen mittlerweile weit entfernt. So lag zuletzt die Bewertung nur noch bei etwas über 850 Millionen Euro. Und selbst dieser Wert dürfte nun aufgrund des BaFin-Themas, einer Herabwertung auf „neutral“ seitens US-Investmentbank Goldman Sachs, mit Kursziel von 19 auf 8 Euro, nochmals sinken.
Wie reagiert das Unternehmen auf das Ergebnis und die Forderungen seitens der BaFin?
Als erste umgehende Maßnahme auf einer der wesentlichsten Forderungen der BaFin die Höhe der sogenannten Eigenmittel zu erhöhen, haben Aufsichtsrat und Vorstand laut Mitteilung beschlossen, die FlatexDEGIRO Bank AG mit weiteren 50 Millionen Euro aus eigenen Mitteln zu kapitalisieren.
Womit sich das bis dato „harte“ Kernkapital des FlatexDEGIRO-Konzerns von 180 Millionen Euro auf nunmehr 230 Millionen Euro erhöht. Zudem soll zur weiteren Erhöhung dieses Kernkapitals der erwirtschaftete Überschuss komplett einbehalten werden.
Auch bei der BaFin Auflage, die Unternehmensführung besser zu organisieren beziehungsweise eine generelle Organisationsstruktur sicherzustellen, hat das Unternehmen reagiert. So wurde der bis mit zwei Personen besetzte Vorstand nun um weitere Positionen ergänzt.
So bekommt das Unternehmen zum Jahreswechsel mit Stephan Simmang einen Chief Technology Officer (CTO). Des Weiteren wird Benon Janos, der bisher die gleiche Funktion bei der FlatexDEGIRO Bank ausübt, zum neuen Finanzvorstand der Dachgesellschaft berufen. Der bisherige Finanzchef Muhamad Chahrour zum 1. Januar zum stellvertretenden Vorsitzenden und zum Leiter des Tagesgeschäfts (COO) aufrücken
Zudem ist angedacht, die bisherige Personalchefin Christiane Strubel in den Vorstand zu berufen. Hierzu müssen jedoch vorab einige regulatorischen Voraussetzungen erfüllt werden.
Was das Ergebnis der BaFin Sonderprüfung jetzt für die Kunden bedeutet
Auch wenn diese Sonderprüfung der BaFin bei der FlatexDEGIRO durchaus Anlass bietet, sich als Kunde Sorgen über sein Depot zu machen, so kann an dieser Stelle vorab mal Entwarnung gegeben werden. Zwar ist in einschlägigen Medien momentan immer wieder zu lesen, dass es sich hier um „katastrophale Nachrichten“ handle, so muss klargestellt werden, dass hier eher die Personen angesprochen werden, die als Aktionäre Anteile am Unternehmen halten. Denn die Nachrichten hatten erheblichen Einfluss auf den Aktienkurs des Unternehmens. So hat die Aktie der FlatexDEGIRO zuletzt innerhalb eines Tages rund 37 % an Wert verloren.
Für Kunden selbst hingegen hat sich auch nach dieser Mitteilung seitens der BaFin rein gar nichts geändert. Die Einlagen der Kunden sind sicher, was zum einen an dem Einlagensicherungsfonds liegt als auch daran, dass das Unternehmen wirtschaftlich nicht in Schwierigkeiten ist. Dies wird vor allem daran deutlich, dass das Unternehmen umgehend die bereits erwähnten 50 Millionen EURO zur Steigerung des Kernkapitals zur Verfügung gestellt hat.
Natürlich kann niemand, so auch wir nicht, garantieren, dass dies etwaige zukünftige finanzielle Probleme des Unternehmens generell ausschließt. Eine solche Vorhersage kann und wird niemand, der halbwegs seriös agiert, treffen. Dennoch, mit Blick auf die Fakten kann an dieser Stelle mit Bezug auf die Kunden von FlatexDEGIRO von einer Gefahrensituation keine Rede sein.