Ist die Zeit steigender Renditen bei Anleihen vorüber?
Seit den Kurseinbrüchen im vorangegangenen Jahr sind Investoren nicht allein auf der Suche nach Rendite, sondern auch nach Sicherheit. Das Jahr 2022 enthüllte jedoch einen besorgniserregenden Trend: Die ansteigenden Zinsen setzten sowohl Anleihen als auch Aktien unter Druck. Dies resultierte aus den fortlaufenden Zinsanhebungen der Zentralbanken und den veränderten Erwartungen hinsichtlich der Inflation, die zu einer deutlichen Steigerung der Renditen auf den Anleihemärkten führten. In Reaktion darauf verzeichneten die Anleihekurse einen merklichen Rückgang.
Steht nun der optimale Zeitpunkt bevor, um zu investieren, nachdem die Inflationsraten in vielen Ländern ihren Höhepunkt überschritten haben?
Das Wichtigste auf einen Blick
- Rendite und Sicherheit: in Zeiten eines turbulenten Aktienmarkts sind Anleihen eine interessante Alternative.
- Die wiederholten Zinsanhebungen setzen Anleihen und Aktien zuletzt massiv unter Druck.
- Aktuell könnte dennoch ein guter Zeitpunkt sein, in den Anleihenmarkt einzusteigen.
Ratgeber: Alles zum Thema Anleihen
Langfristig orientierte Anleger verzeichneten Verluste bei ihren Anleihen
Die beträchtliche Inflation und die raschen Zinsanhebungen zahlreicher Zentralbanken führten in den Jahren 2021 und 2022 zu den gravierendsten und schnellsten Kursverlusten auf den Anleihemärkten, die in jüngerer Vergangenheit verzeichnet wurden. Bei risikoreicheren Emittenten wie Schwellenländern, Euro-Peripherieländern und Unternehmensanleihen kamen zu den allgemeinen Renditeanstiegen zusätzliche Renditeaufschläge hinzu. Diese erheblichen Kursverluste schmerzten bereits investierte Anleger zutiefst. Abhängig von der Haltedauer der Anleihen und der Art der Investitionen wurde ein erheblicher Anteil der Erträge aus den vorangegangenen Jahren durch die Kursverluste bereits aufgebraucht.
Wer jetzt in den Markt einsteigt, könnte profitieren
Jedoch birgt der markante Anstieg der Renditen eine äußerst positive Facette: Investoren, die nun agieren, können Renditen erzielen, wie sie seit längerer Zeit nicht mehr möglich waren – zumindest auf dem Papier. Berücksichtigt man die Inflation, so ist diese Feststellung lediglich begrenzt gültig. Deutsche Bundesanleihen, praktisch der Goldstandard in der Eurozone, bieten nominell Renditen zwischen 2,6 % und 3,3 %, was den höchsten Stand seit über einem Jahrzehnt bedeutet.
Unternehmensanleihen: Mehr Ertrag, aber auch mehr Risiko
Noch ansprechendere Renditen bieten Unternehmensanleihen, da hier die Renditeaufschläge (die als Ausgleich für erhöhte Ausfallrisiken und geringere Liquidität dienen) hinzukommen. Aktuell können bei erstklassigen Bonitäten (Investment Grade) je nach Laufzeit Renditen von etwa 4,5 % p.a. erzielt werden (vorausgesetzt, die Tilgung erfolgt rechtzeitig und vollständig). Im Bereich der Hochzinsanleihen sind sogar Renditen von etwa 7 % p.a. oder mehr möglich, doch gehen diese mit erheblich höheren Risiken von Zahlungsausfällen oder Insolvenzen einher. Solche Nominalrenditen waren im vergangenen Jahrzehnt undenkbar.
Nagt die Inflation an den Erträgen?
Natürlich kann eingewandt werden, dass Renditen von 4 % oder 7 % verlockend klingen mögen, jedoch angesichts einer Inflation von 9 % die Kaufkraft des investierten Kapitals erheblich schmälern können. Diese Einwendung ist zweifellos korrekt. Doch die derzeitigen Alternativen sind entweder noch niedrigere Erträge (Bargeld, Sparbuch) oder wesentlich riskantere Investitionen (wie Aktien oder Fremdwährungsanleihen). Außerdem ist es unwahrscheinlich, dass die derzeit hohen Inflationsraten über die gesamte Laufzeit der Anleihen anhalten werden. Langfristig betrachtet ist durchaus mit erheblichen positiven Erträgen zu rechnen, selbst nach Berücksichtigung der zu erwartenden Inflation. Eine Gewähr hierfür besteht jedoch selbstverständlich nicht.
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Schwindet der Renditevorsprung von Unternehmensanleihen?
Im Bereich der Unternehmensanleihen kommt, wie bereits erwähnt, der zusätzliche Renditeaufschlag gegenüber den Staatsanleihen der Kernländer der Eurozone hinzu, was einen erheblichen Teil der Attraktivität dieser Anleihen ausmacht. Diese Renditeaufschläge haben sich in den vergangenen Monaten spürbar verringert, da negative wirtschaftliche Szenarien in Europa eingepreist wurden und zahlreiche Unternehmen sich wirtschaftlich besser entwickelt haben als erwartet. Infolgedessen ist das Risiko von Kursverlusten gestiegen, falls sich das wirtschaftliche Umfeld und die Finanzierungsbedingungen schlechter entwickeln sollten, als derzeit vom Markt angenommen wird.
Die fundamentale Lage bleibt weiterhin stabil
Investment Grade-Anleihen bieten zusätzlich etwa 1,6 % p.a., während Hochzinsanleihen Renditen von etwa 4 bis 5 % p.a. ermöglichen. Diese Renditeaufschläge werden von zahlreichen Faktoren beeinflusst, darunter die Ausfallrisiken (Bonität) der jeweiligen Anleihe oder des Emittenten, die allgemeine Liquidität (die aktuell rückläufig ist und vorerst so bleiben wird) sowie die Risikobewertung am Markt (die derzeit negativ ausfällt). Die fundamentale Situation bleibt nach wie vor stabil. Ausfälle sind praktisch nicht vorhanden, und die meisten Unternehmen haben die letzten Jahre der äußerst niedrigen Zinsen genutzt, um ihre Schulden zu reduzieren, Liquidität aufzubauen und die Laufzeiten ihrer Verbindlichkeiten zu verlängern.
Auswahl einer Anleihe: Höhere oder niedrigere Bonität?
Grundsätzlich gilt: Je höher die Qualität einer Anleihe und eines Emittenten, desto geringer fällt in der Regel der Renditeaufschlag aus. Allerdings ändern sich Konjunktur, fiskalische Maßnahmen, die Geldpolitik der Zentralbanken und die Ausfallrisiken unaufhörlich. Daher gibt es keine feste Regel, wann es angebracht ist, Anleihen mit niedrigerer Qualität und höherer Rendite zu bevorzugen oder Anleihen mit besserer Qualität und niedrigerer Rendite zu präferieren. Zudem ist das Zinsänderungsrisiko im Bereich der Hochzinsanleihen deutlich geringer als bei Investment Grade-Unternehmensanleihen. Die höhere Ausfallsicherheit von Investment Grade-Anleihen geht also – auf gesamtwirtschaftlicher Ebene – tendenziell mit einem größeren Risiko von Kursverlusten bei allgemeinen Zinssteigerungen einher.
Zusammenfassung und Fazit: Nähert sich das Ende des Anstiegs der Renditen?
Stellt sich abschließend die Frage: Ist es möglich, mit einem Kauf zu warten, bis die Inflation spürbar zurückgeht? Selbstverständlich ist dies eine Option. Doch wenn die Inflation deutlich abflaut, wird dies bereits von den Anleihemärkten erkannt worden sein. Diese Märkte bemühen sich fortwährend, abzuschätzen, wann der Anstieg der Inflation und somit auch die Zinsanhebungen der Zentralbanken enden werden. Investoren, die nun aktiv werden, tragen das Risiko, möglicherweise zu früh zu handeln und weitere Renditeanstiege (und somit Kursrückgänge) in Kauf nehmen zu müssen. Diejenigen, die hingegen abwarten, setzen sich dem Risiko aus, später lediglich erheblich geringere Renditen zu erzielen.
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Weiterführende Links und Quellen:
CAPinside: Aktien und Anleihen: Wenn die Zinsen nicht mehr steigen
Handelszeitung: Warum Sie nun bei Investitionen in Anleihen vorsichtig sein sollten