Domino-Effekt: Anleger ziehen Geld ab, Immobilienfonds schrumpfen
Keine Frage, der Immobilienmarkt schwächelt und das zeigt sich nicht nur an der Pleite von Evergrande in China sowie zahlreichen Projektgesellschaften in Deutschland im letzten Jahr. Auch die zahlreichen Immobilienfonds verzeichnen seit geraumer Zeit erhebliche Mittelabflüsse von Privat-Anlegern, was die Fondsanbieter unter einen erheblichen Verkaufsdruck bringt. Doch was steckt dahinter? Und ist es aus Anlegersicht momentan wirklich ratsam, Anteile an Immobilienfonds zu verkaufen? Werfen wir im Folgenden einen Blick auf die aktuelle Situation.
Das Wichtigste in Kürze:
- Mehr als 1 Milliarde Kapitalabflüsse aus Immobilienfonds pro Monat
- Hohe Zinskosten belasten Immobilienfonds
- Fonds müssen Portfolio-Immobilien verkaufen, um Anlegerforderungen bedienen zu können
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Immobilienfonds verzeichnen Geld-Abflüsse in Milliardenhöhe
Tatsache ist, dass Privatanleger jeden Monat mehr als eine Milliarde Euro aus europäischen Immobilien-Fonds abziehen, da die sinkende Nachfrage und der Anstieg der Kreditkosten Bedenken hinsichtlich der Bewertung vor allem von Gewerbeimmobilien aufkommen lassen. Und diese enormen Kapitalabflüsse haben schwerwiegende Folgen.
So ermittelte die Rating-Agentur Morningstar, dass die Geld-Abflüsse der Anleger dazu führten, dass das Gesamtnettovermögen der europäischen offenen und börsengehandelten Immobilien-Fonds von Dezember 2022 bis zum Ende des letzten Jahres um mehr als 10% auf 180,7 Milliarden Euro sank.
Die Daten zeigen zudem, dass die Geld-Abflüsse in ganz Europa in den letzten drei Monaten des Jahres 2023 jeweils eine Milliarde pro Monat Euro überstiegen haben. Deutsche Anleger, die ihr Geld erst nach einer einjährigen Kündigungsfrist abziehen können, zogen nach Angaben von Barkow Consulting in den letzten fünf Monaten des Jahres mehr als 750 Millionen Euro aus Immobilien-Fonds ab.
In den letzten elf Monaten in Folge verzeichnen Immobilienfonds also kontinuierlich hohe Kapitalabflüsse. Ein eindeutiges Zeichen dafür, dass die Attraktivität von Immobilien als Anlageklasse mit der schwindenden Ära des günstigen Geldes abnimmt.
Ein konkretes Beispiel dafür findet sich im Anleihemarkt, wo die Anleihen der Deutschen Pfandbriefbank AG und anderer Emittenten aufgrund ihrer Engagements in diesem Bereich erhebliche Einbußen verzeichneten.
Die potenzielle Gefahr für die Finanzstabilität, die sich aus schwächelnden Immobilienfonds ableitet, wird besonders deutlich, wenn man den Anteil dieser Fonds an Gewerbeimmobilien im Gesamtmarkt des Euro-Raums betrachtet – ein beachtlicher Anteil von rund 40 %.
Die grundlegende Frage drängt sich auf: Warum entscheiden sich Anleger in so großem Umfang dazu, ihre Anteile an Immobilienfonds zu verkaufen? Hierbei wird insbesondere seitens der Anleger immer wieder die Problematik der sogenannten Illiquidität als maßgeblicher Faktor genannt. Doch was genau bedeutet dies in diesem Kontext?
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Problem der Illiquidität
Die Herausforderung liegt in der Diskrepanz zwischen der Liquidität, die Anlegern in Immobilienfonds versprochen wird, und der tatsächlichen Illiquidität ihrer Vermögenswerte. Diese Diskrepanz wurde besonders nach dem Brexit-Votum deutlich, als zahlreiche britische Fonds den Handel aussetzten und ihre Vermögenswerte aufgrund einer Flut von Rücknahmeanträgen rasch veräußern mussten. Ein ähnliches Muster wiederholte sich während der Coronavirus-Pandemie, wodurch viele betroffene Immobilienfonds letztendlich schließen mussten.
Diese wiederholten Szenarien unterstreichen die drängende Notwendigkeit für Anleger, die Illiquiditätsrisiken in Immobilienfonds genauer zu bewerten. In Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit und volatiler Märkte sind Investoren zunehmend sensibilisiert für die potenziellen Auswirkungen, die Illiquidität auf ihre Portfolios haben kann.
Dass sich diese Problematik nun erneut auftut, bestätigte kürzlich auch Oliver Salmon, Researcher bei Savills Plc:
„Viele offene Fonds stehen unter Verkaufsdruck, um die zunehmenden Rücknahmeanträge von Anlegern erfüllen zu können“.
Sollten Anteile an Immobilienfonds wirklich verkauft werden? Oder nicht?
Mit Blick auf die aktuelle Zinsentwicklung in Verbindung auf die Gesamtsituation am Immobilienmarkt kann man durchaus den Eindruck gewinnen, dass unter dem Aspekt eines drohenden zunehmenden Kapitalverlustes der Verkauf mehr als angebracht ist.
Oder eben auch nicht, denn die Aussichten für Gewerbeimmobilien könnten sich im Laufe dieses Jahres verbessern, wenn die EZB wie erwartet mit der Senkung der Zinsen beginnt und sich das Narrativ der sanften Landung der Wirtschaft bewahrheiten sollte.
Man könnte also eine provokante Aussage in den Raum stellen: Wer gerade jetzt die Fonds beziehungsweise Anteile verkauft, hat das Wesen dieses Investments und des Immobilienmarkts nicht verstanden.
Dabei gilt vor allem der Blick auf den Immobilienfonds an sich. Denn wenn man sich ernsthaft mit der Branche der offenen Immobilienfonds befasst (kurz OIFs), gibt es keinen Grund, sie ausgerechnet jetzt aus dem Depot zu werfen. Denn diese Produkte machen derzeit genau das, was sie immer gemacht haben: Stabilität ins Depot bringen.
Vor allem dann, wenn es sich hierbei um einen Fonds handelt, der einen verhältnismäßig hohen Wohnimmobilienanteil beinhaltet. Denn es zeigte sich auch in der Vergangenheit bei entsprechenden Abschwüngen wie dem Jetzigen, dass sich die Fonds mit einem hohen Wohn-Immobilien Anteil als deutlich stabiler als jene Fonds darstellten, deren Portfolio in einem hohen Maße aus Gewerbe-Immobilien bestand. Wer zudem Anteile an einem deutschen Fondshält, sollte sich den Verkauf doppelt überlegen, denn der hiesige Markt gilt im weltweiten Vergleich immer noch als einer der Stabilsten.
Und um dies mit einer Zahl zu verdeutlichen: Auf 20 Jahre betrachtet, bewiesen einige deutsche Immobilienfonds mit rund 3 Prozent eine konstant stabile Jahresperformance. Das kann zwar nicht mit Aktienfonds konkurrieren, muss es aber auch nicht. Immobilienfonds sind keine Hochwachstumswerte, sondern stabilen Kleinertragsbringer, die eher mit den Festzins-Angeboten vergleichbar sind.
Beispiele für Fonds, die ihren Fokus auf den heimischen Wohnmarkt richten:
Fonds | ISIN | WKN | Performance 1 Jahr | Performance 3 Jahr | Performance 5 Jahr |
---|---|---|---|---|---|
Fokus Wohnen Deutschland | DE000A12BSB8 | A12BSB | -2,3% | 0,7% | 5,2% |
Wertgrund Wohnselect | DE000A1CUAY0 | A1CUAY | 1,4% | 6,8% | 13,9% |
UniImmo: Deutschland | DE0009805507 | 980550 | 1,0% | 3,7% | 3,8% | Stand: 15.02.2024 |
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