Europa verliert bei Großinvestoren an Attraktivität – die Hintergründe

Dienstag den 30.07.2024 - Abgelegt unter: Börse, Brokernews, International, Politik

Lohnt es sich noch, in den europäischen Markt zu investieren? Betrachtet man das Ergebnis einer aktuellen Umfrage und Marktanalyse der Bank of America unter weltweiten agierenden Fondsmanagern, dann muss man diese Frage aktuell mit einem deutlichen „Nein“ beantworten. Denn während die Fondsmanager noch im Juni für den europäischen Markt überwiegend positiv gestimmt waren, hat sich diese nun im Monat Juli fast vollständig umgekehrt. Denn nun stehen wieder verstärkt US-Aktien in der Gunst der Fondsmanager und Großinvestoren. Doch was steckt hinter diesem, innerhalb weniger Wochen stattgefundenen Sinneswandel?

Das Wichtigste im Überblick:

  • Fondsmanager und Großinvestoren schichten ihre Portfolios hin zu US-Aktien um und untergewichten europäische Aktien deutlich
  • Investoren und Fondsmanager rechnen mit Zinssenkung und Abkühlung der US- als auch Weltwirtschaft
  • Ausgang der Präsidentschaftswahl und anhaltende geopolitische Entwicklungen dürften sich negativ auf die Handelspolitik auswirken

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Untergewichtung europäischer Aktien – die Beweggründe der Investoren

Die jüngsten Entwicklungen im Anlageverhalten der Fondsmanager sind durchaus bemerkenswert. Die 242 von der Bank of America befragten Fondsmanager, die ein beeindruckendes Kundenvermögen von 632 Milliarden Dollar verwalten, haben im Juli tiefgreifende Umschichtungen in ihren Portfolios vorgenommen. Diese Veränderungen erreichen ein Ausmaß, das zuletzt vor zwei Jahren zu beobachten war, als die Aktienmärkte am Ende der Nullzinsphase einbrachen.

Um die Dynamik zu verdeutlichen: Der Anteil der Fondsmanager und Großinvestoren, die europäische Aktien übergewichten, ist auf netto zehn Prozent gesunken, nachdem dieser Wert im Juni noch bei 30 Prozent lag. Interessanterweise haben die Investoren gleichzeitig die Gewichtung von Aktien aus Japan und Schwellenländern in ihren Portfolios im Vergleich zu ihren Benchmarks erhöht.

Grund Nummer 1 – Zinssenkungen und Abkühlung der US- und Weltwirtschaft

Die jüngste Umfrage unter Fondsmanagern offenbart deutliche Beweggründe für die aktuelle Neugewichtung ihrer Portfolios. Vor allem die Zinspolitik treibt die Entscheidung, sich von europäischen Aktien zu trennen. Eine Mehrheit der Befragten rechnet damit, dass die US-Notenbank ab September mit Zinssenkungen beginnen wird. Diese Erwartung basiert auf der Prognose einer allmählichen Abkühlung sowohl der US-Konjunktur als auch der Weltwirtschaft, was typischerweise den Preisdruck reduziert.

Rund zwei Drittel der Fondsmanager gehen davon aus, dass die Fed in den nächsten zwölf Monaten mindestens dreimal die Leitzinsen senken wird. Ein solches Niedrigzinsumfeld ist traditionell förderlich für die Aktienmärkte, da es Unternehmen bessere Finanzierungsbedingungen und damit höhere Bewertungen ermöglicht. Gleichzeitig zeigt die Umfrage, dass immer mehr Großanleger eine langsame Abschwächung der Weltwirtschaft antizipieren, vor allem bedingt durch ein nachlassendes US-Wachstum. Eine Rezession in den kommenden eineinhalb Jahren erwartet jedoch die Mehrheit der Befragten nicht.

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Grund Nummer 2 – der ungewisse Ausgang der US-Präsidenten-Wahl und geopolitische Krisen

Ein weiterer wesentlicher Faktor für die aktuelle Umschichtung der Portfolios ist die bevorstehende US-Präsidentschaftswahl. Die meisten Fondsmanager erwarten erhebliche Auswirkungen auf die Handelspolitik, insbesondere im Falle eines möglichen Wahlsiegs von Donald Trump. In diesem Szenario rechnen sie mit einer erneuten Verschärfung des Handelskonflikts mit China und, in bestimmten Bereichen, auch mit Europa. Die Unsicherheiten, die mit diesen Entwicklungen einhergehen, treiben die strategische Neuausrichtung der Investitionen.

Neben der Handelspolitik werden auch negative Einflüsse aus den Bereichen Einwanderung und geopolitische Spannungen genannt, wenn auch mit einem gewissen Abstand. Hingegen werden potenzielle Auswirkungen auf die Steuer- und Energiepolitik als weniger einflussreich eingeschätzt.

Welche US-Aktien Investoren und Fondsmanager derzeit bevorzugen

Nachdem die wesentlichen Beweggründe für die Untergewichtung europäischer Aktien dargelegt wurden, stellt sich die Frage, in welche Segmente die Fondsmanager nun verstärkt investieren. Einmal mehr zeigt sich die herausragende Stellung der US-Technologieaktien. Im Juli erhöhten die Investoren ihr Engagement in US-Aktien auf ein Fünfmonatshoch, womit sie das größte regionale Übergewicht in ihren Portfolios halten. Netto gewichten jetzt 16 Prozent der Großanleger US-Papiere höher als ihre Vergleichsindizes. Im Juni waren es nur halb so viele.

Besonders bemerkenswert ist, dass trotz der Einschätzung, die sieben großen US-Tech-Unternehmen – die „Magnificent Seven“ bestehend aus Alphabet, Amazon, Apple, Microsoft, Meta, Nvidia und Tesla – seien so stark überkauft wie seit Herbst 2020 nicht mehr, die Fondsmanager an ihrem Übergewicht in diesen Technologieaktien festhalten. Diese Gruppe weist ein durchschnittliches Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 53 auf, während der US-Tech-Index Nasdaq 100 bei 33 und der breite S&P 500 bei knapp 25 liegt.

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Zu guter Letzt: Das „Schreckgespenst“ Inflation bereitet den Managern kaum noch Sorge

Stichwort Inflation: Hier zeichnet ein Wandel in der Risikobewertung der Investoren, denn geopolitische Krisen haben die hohe Inflation als größtes Risiko für die Kapitalmärkte abgelöst. Die im Juni unerwartet stark gesunkene Inflationsrate von drei Prozent hat bei vielen Anlegern für Erleichterung gesorgt und offenbar zu einer verstärkten Umschichtung zurück in US-Aktien geführt. Diese Entwicklung unterstreicht die wachsende Bedeutung geopolitischer Stabilität für die globalen Finanzmärkte und spiegelt eine Neuausrichtung der Anlagestrategien wider, bei der regionale Gegebenheiten verstärkt berücksichtigt werden.

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