Sinkendes Interesse an Nachhaltigkeit? Neu-Auflagen von ESG Fonds gehen zurück

Mittwoch den 7.08.2024 - Abgelegt unter: Börse, Brokernews, Fonds, Nachhaltig, Trends

Es heißt ja immer, dass jeder Trend irgendwann sein Ende findet und so manch Einer mag dies mittlerweile wohl auch beim Thema nachhaltige Geldanlagen denken, denn die Neuauflagen von ESG-Fonds gehen im Vergleich zu den letzten Jahren stark zurück. Zu diesem Ergebnis kommt zumindest eine aktuelle Marktanalyse von der Research- und Rating-Agentur Morningstar. Doch woher kommt dieses scheinbar nachlassende Interesse seitens der Anleger?

Das Wichtigste in Kürze

  • Morningstar Marktanalyse zeigt deutlichen Rückgang bei der Neuauflage von ESG-Fonds
  • Neben Greenwashing-Skandalen sorgt auch Intransparenz bei ESG-Fonds für Absatz-Probleme
  • Performance nachhaltiger Fonds stark Sektor-abhängig

Nachhaltige Geldanlagen im Vergleich »

Wesentliche Gründe sind Greenwashing-Skandale und Marktsättigung

Zugegeben – das Image von ESG-Fonds hat in den letzten Jahren erheblich unter zahlreichen Greenwashing-Skandalen gelitten, insbesondere unter dem umstrittenen Verhalten des Fondsanbieters DWS. Diese Vorfälle zeigen deutlich, wie problematisch das Investitionsverhalten vieler angeblich nachhaltiger Fonds ist. Eine Morningstar-Studie offenbart, dass rund 40 Prozent der etwa 1.300 als „sauber“ deklarierten Fonds in Europa in fossile Brennstoffe wie Kohle, Öl und Gas investieren. Die mangelnde Transparenz der ESG-Kriterien schürt zusätzlich das Misstrauen der Anleger.

In den USA stehen ESG-Fonds zudem im Kreuzfeuer politischer Kritik. Der Bundesstaat Florida hat Pensionsfonds die Anwendung von ESG-Kriterien untersagt, und Texas verbietet öffentlichen Institutionen die Zusammenarbeit mit ESG-Fonds und -ETFs. Donald Trump bezeichnete diese Investments als „woken Kapitalismus“, was die politische Spannbreite der Kontroverse verdeutlicht.

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Der Markt für ESG-Fonds scheint übersättigt

Ein weiterer bedeutender Aspekt ist die offensichtliche Sättigung des Marktes für nachhaltige Fonds. Laut der Asset-Management-Plattform Morningstar Direct wurden in den ersten fünf Monaten des Jahres 2024 weltweit nur etwa 100 ESG-Fonds aufgelegt. Im Vergleich dazu waren es im gesamten Jahr 2023 noch 566 Fonds und 2022 sogar 993. Besonders auffällig ist der Rückgang im Mai 2024, als nur 16 ESG-Fonds neu aufgelegt wurden – ein monatliches Rekordtief seit 2020.

Dieser Rückgang zeigt sich vor allem bei den großen Branchenführern: BlackRock hat im Jahr 2024 laut Morningstar bisher nur vier neue ESG-Fonds auf den Markt gebracht, verglichen mit 23 im Vorjahr. Die DWS konnte lediglich drei Neuauflagen verzeichnen, im Gegensatz zu 25 im Jahr 2023. Auch die UBS brachte in diesem Jahr nur sechs nachhaltige Fonds heraus, verglichen mit 16 im Vorjahr.

Darüber hinaus sind die Zuflüsse zu nachhaltigen ETFs zuletzt gesunken. Im zweiten Quartal 2024 flossen nur 4,7 Milliarden Euro in ESG-ETFs, während es im ersten Quartal noch 7,6 Milliarden Euro waren. Bemerkenswert ist, dass die Gesamtzuflüsse im ETF-Markt stiegen und im zweiten Quartal einen Rekordwert erreichten.

Starke Sektoren-Abhängigkeit bei der Performance von ESG-Fonds

Ein weiterer entscheidender Aspekt, der den Rückgang bei der Neu-Auflegung von ESG-Fonds erklärt, ist die Betrachtung ihrer Performance. Entgegen der weit verbreiteten Meinung, dass grüne Fonds per se schlechter abschneiden, zeigen breit gestreute ESG-Fonds durchaus konkurrenzfähige Ergebnisse im Vergleich zu Nicht-ESG-Fonds – aber eben nicht generell.

Ein Beispiel hierfür ist der MSCI World ESG-Screened, der in den letzten fünf Jahren eine leicht bessere Rendite erzielte als der MSCI World. Dies ist vor allem auf die höhere Gewichtung von Technologieaktien in ESG-Fonds zurückzuführen, da diese oft geringere CO₂-Emissionen aufweisen als Unternehmen aus der Industrie. Sollte jedoch der Boom im Technologiebereich enden, könnte sich dies zu Gunsten von Nicht-ESG-Fonds verschieben.

Auf der anderen Seite war die Performance spezialisierter ESG-Nischenfonds in bestimmten Sektoren nicht durchweg erfreulich. Während erneuerbare Energien im Jahr 2022 von steigenden Ölpreisen profitierten, litt der Sektor im Jahr 2023 unter den Auswirkungen steigender Zinsen und Inflation.

Ein Beispiel: Der iShares Global Clean Energy UCITS ETF (ISIN IE00B1XNHC34 / WKN A0MW0M), ist ein börsengehandelter Fonds, der darauf abzielt, die Performance des S&P Global Clean Energy Index nachzubilden. Dieser Index umfasst Unternehmen weltweit, die im Bereich erneuerbare Energien und saubere Technologien tätig sind. Der ETF investiert gezielt in Unternehmen, die sich auf die Entwicklung und Nutzung nachhaltiger Energien konzentrieren, darunter Wind-, Solar- und Wasserenergie.

Dieser ETF von iShares verzeichnete allein in den letzten zwölf Monaten einen Rückgang von über 20 Prozent, während der MSCI World einen Gewinn von über 20 Prozent erzielte.

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Quellen:

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Weniger ESG-Fonds Neuauflagen bedeuten nicht zwangsläufig das Ende des Nachhaltigkeitstrends

Für Anleger bedeutet die derzeitige Situation, dass die geringe Anzahl an Neuauflagen von ESG-Fonds nicht als Zeichen des Rückgangs des ESG-Trends gewertet werden sollte. Vielmehr spiegelt sie die Marktsituation wider, in der in den letzten Jahren eine überwältigende Anzahl an ESG-Produkten aufgelegt wurde. Dieser Markt ist nun weitgehend gesättigt, was zu einem Überangebot geführt hat. Die Vielzahl an ESG-Kriterien und -Standards hat zudem dazu beigetragen, dass viele Fonds als ESG-Fonds klassifiziert werden können, was das Angebot weiter vergrößert hat.

Trotz dieser Marktsättigung ist festzuhalten, dass der Trend zu nachhaltigeren Investitionen in der Fondsbranche weiterhin stark ist. Der Nachhaltigkeitsindikator INI des Beratungsunternehmens Infinma, der den Anteil der Kundengelder in Fonds misst, die gemäß den Artikeln 8 und 9 der EU-Offenlegungsverordnung als nachhaltig eingestuft sind, zeigt, dass über 50 Prozent der investierten Gelder in solche Fonds fließen. Dies unterstreicht die kontinuierliche und zunehmende Integration von Nachhaltigkeitskriterien in die Investmentstrategien und bestätigt die anhaltende Relevanz und den Einfluss des ESG-Trends im Fondsmarkt.

Was bleibt als Erkenntnis?

Trotz des Rückgangs bei der Neuauflage von ESG-Fonds bleibt Nachhaltigkeit ein zentrales Anliegen für Anleger. Eine Umfrage von Bloomberg unter institutionellen Investoren Ende 2023 zeigt, dass lediglich 15 Prozent der Führungskräfte eine Abschwächung oder das Ende ihrer ESG-Strategien in Betracht ziehen. Im Gegensatz dazu planen 80 Prozent, ihre ESG-Investitionen in den kommenden Jahren auszuweiten. Bloomberg erwartet, dass das von ESG-Fonds verwaltete Volumen bis 2030 um über 30 Prozent steigen wird.

In einem Markt, der zunehmend gesättigt ist, wird sich das zusätzliche Kapital hauptsächlich auf bestehende ESG-Produkte konzentrieren, während die Zahl neuer Fondsauflagen voraussichtlich begrenzt bleibt. Fondsgesellschaften werden sich daher vermehrt darauf konzentrieren, ihr bestehendes Angebot zu optimieren und Nischenfonds zu entwickeln, um den spezifischen Anforderungen und Interessen der Anleger gerecht zu werden. Dies zeigt, dass die Weiterentwicklung und Differenzierung innerhalb des ESG-Sektors im Mittelpunkt stehen werden, während der Fokus auf der Verbesserung und Spezialisierung bereits vorhandener Fonds liegt.

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Quellen und weiterführende Links

Bloomberg: Große Geldhäuser fahren Neuauflagen von ESG-Fonds stark zurück
Morningstar: Grüne Fonds verzeichnen 2024 wieder Zuflüsse

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