Value for Money Test der ESMA: Eine kritische Betrachtung

Freitag den 13.12.2024 - Abgelegt unter: Brokernews, International, Kleinanleger, Online-Broker News, Politik

In einem Finanzmarktumfeld, das durch zunehmende Komplexität und eine wachsende Bedeutung der privaten Altersvorsorge geprägt ist, gewinnt der effektive Schutz von Kleinanlegern stetig an Relevanz. Die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) hat mit dem Value for Money (VfM) Test einen neuerlichen Vorschlag zur Steigerung der Transparenz für Anleger im Rahmen der EU-Kleinanlegerstrategie präsentiert. Dieser Test reiht sich in eine umfassende regulatorische Architektur ein, die bereits durch die MiFID II-Richtlinie (2014/65/EU) und die PRIIPs-Verordnung (1286/2014) grundlegende Standards für Transparenz und Anlegerschutz etabliert hat. Die Notwendigkeit eines solchen Tests wird durch empirische Studien untermauert, die wiederholt aufzeigen, dass Kleinanleger häufig Schwierigkeiten haben, die Kostenstrukturen von Investmentprodukten vollständig zu durchschauen und deren Auswirkungen auf die langfristige Rendite einzuschätzen.

Das Wichtigste im Überblick:

  • Der Value for Money (VfM) Test ist eine neue Initiative der ESMA zur Bewertung des Preis-Leistungs-Verhältnisses von Investmentfonds, die im Rahmen der EU-Kleinanlegerstrategie entwickelt wurde und auf historischer Performance und Kostenanalyse basiert.
  • Eine Hauptkritik des BVI richtet sich gegen die starke Fokussierung auf historische Performancedaten: Eine Studie zeigt, dass 77% der zunächst schwach performenden Fonds später durchschnittliche oder überdurchschnittliche Ergebnisse erzielten.
  • Der Test berücksichtigt wichtige qualitative Faktoren wie Beratungsqualität, Risikomanagementstrategien und ESG-Kriterien bislang nicht ausreichend, was zu einer potenziell verzerrten Bewertung führen könnte.
  • Die praktische Umsetzung des Tests könnte zu erheblichen administrativen Kosten führen (geschätzt 2-5 Basispunkte pro Fonds), die letztlich von den Anlegern getragen werden müssten.

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Konzeption und Zielsetzung des VfM-Tests

Der Value for Money Test basiert auf einem mehrdimensionalen Bewertungsansatz, der über eine reine Kostenanalyse hinausgeht. Im Zentrum steht die systematische Evaluation der Gebührenstruktur von Investmentfonds in Relation zu ihrer historischen Performance. Die ESMA hat hierfür ein komplexes Bewertungsraster entwickelt, das verschiedene Kostenkategorien berücksichtigt: Verwaltungsgebühren, Transaktionskosten, Performance Fees und sonstige administrative Kosten. Diese werden in Bezug gesetzt zu verschiedenen Performancekennzahlen wie der absoluten Rendite, der risikoadjustierten Rendite (Sharpe Ratio) und der relativen Performance im Vergleich zur Benchmark.

Die Zielsetzung geht dabei über die reine Transparenzschaffung hinaus. Der Test soll als proaktives Instrument der Marktüberwachung dienen und potenzielle Missverhältnisse zwischen Kosten und Leistung frühzeitig identifizieren. Dies steht im Einklang mit Artikel 8 der OGAW-Richtlinie (2009/65/EG), der von Fondsgesellschaften verlangt, im besten Interesse der Anleger zu handeln.

Methodische Umsetzung und regulatorischer Rahmen

Die methodische Implementierung des VfM-Tests ist in einen breiten regulatorischen Kontext eingebettet. Neben der EU-Verordnung 2019/1156 über die Erleichterung des grenzüberschreitenden Vertriebs von Investmentfonds spielt auch die OGAW-Richtlinie eine zentrale Rolle. Der Test sieht einen dreistufigen Bewertungsprozess vor:

Zunächst erfolgt eine quantitative Analyse der Kostenstruktur im Verhältnis zur historischen Performance über verschiedene Zeiträume (1, 3, 5 und 10 Jahre). In einem zweiten Schritt werden qualitative Faktoren wie die Komplexität der Anlagestrategie, das Risikomanagement und die operative Effizienz bewertet. Der dritte Schritt umfasst einen Peer-Group-Vergleich, bei dem die Ergebnisse in Relation zu vergleichbaren Fonds gesetzt werden.

Die Fondsanbieter sind verpflichtet, diese Analyse jährlich durchzuführen und die Ergebnisse sowohl der Aufsichtsbehörde als auch den Anlegern in standardisierter Form zur Verfügung zu stellen. Dies entspricht den Transparenzanforderungen aus Artikel 14 der PRIIPs-Verordnung.

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Kritische Würdigung der Branchenverbände

Der Bundesverband Investment und Asset Management (BVI) hat in einer umfassenden Analyse fundamentale Schwachstellen des VfM-Tests identifiziert. Die Kritik stützt sich auf empirische Untersuchungen, die die begrenzte Aussagekraft historischer Performancedaten belegen. Die vom BVI durchgeführte Langzeitstudie, die 77 Prozent der zwischen 2014 und 2018 unterdurchschnittlich performenden Fonds analysierte, zeigt eine signifikante Trendumkehr in den Folgejahren. Dies wirft grundsätzliche Fragen zur Validität eines primär vergangenheitsorientierten Bewertungsansatzes auf.

Darüber hinaus kritisiert der BVI die mangelnde Berücksichtigung innovativer Anlagestrategien und ESG-Kriterien (Environmental, Social, Governance). Diese Aspekte gewinnen in der modernen Portfolioverwaltung zunehmend an Bedeutung, finden aber im aktuellen Testdesign keine adäquate Abbildung.

Herausforderungen in der praktischen Umsetzung

Die praktische Implementierung des VfM-Tests stellt die Branche vor erhebliche operative Herausforderungen. Die Bildung aussagekräftiger Peer Groups erweist sich als besonders komplex, da Faktoren wie Anlagestil, Marktkapitalisierung, geografischer Fokus und Risikoprofil berücksichtigt werden müssen. Eine zu granulare Segmentierung könnte zu statistisch insignifikanten Vergleichsgruppen führen, während eine zu breite Kategorisierung die Aussagekraft des Tests verwässern würde.

Die technische Infrastruktur für die Datenerhebung und -auswertung muss neu aufgebaut werden, was erhebliche Investitionen erfordert. Nach Schätzungen der Branche könnte dies zu einer Kostensteigerung von 2-5 Basispunkten pro Fonds führen, die letztlich von den Anlegern getragen werden müsste.

Fazit und Ausblick

Der Value for Money Test der ESMA stellt sicherlich einen wichtigen Schritt in Richtung erhöhter Markttransparenz dar, bedarf jedoch einer grundlegenden Überarbeitung. Die Integration qualitativer Faktoren wie Beratungsqualität, Risikomanagement und ESG-Strategien erscheint unerlässlich. Zudem sollte ein ausgewogeneres Verhältnis zwischen historischer Performance und zukunftsgerichteten Indikatoren angestrebt werden.

Für die weitere Entwicklung des Tests wäre ein strukturierter Dialog zwischen Aufsichtsbehörden, Branchenverbänden und Anlegervertretern wünschenswert. Dabei sollten internationale Best Practices, wie beispielsweise die Erfahrungen der britischen Financial Conduct Authority (FCA) mit ähnlichen Bewertungsansätzen, berücksichtigt werden.

Die finale Ausgestaltung des Tests wird also maßgeblich darüber entscheiden, ob er sich als effektives Instrument des Anlegerschutzes etablieren kann oder zu einer weiteren bürokratischen Hürde wird, die mehr Kosten als Nutzen generiert. Eine sorgfältige Evaluation der Implementierungskosten und des tatsächlichen Mehrwerts für Anleger sollte dabei im Vordergrund stehen.

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