Änderung der Kriterien: Mehr Rüstung in ESG-Fonds

Mittwoch den 25.09.2024 - Abgelegt unter: Brokernews, Fonds, Nachhaltig, Online-Broker News

Anleger, die in ESG-Fonds bzw. entsprechend nachhaltige Anlagen investieren, haben in der Regel sehr genaue Vorstellungen davon, wohin ihr Geld fließen darf und was ausgeschlossen sein sollte. Zuletzt schraubten einige Institutionen jedoch an Kriterien, die es künftig erlauben, vermehrt Rüstungsfinanzierung als nachhaltiges Investment zu klassifizieren. Es gibt Argumente dafür, aber gleichzeitig viele dagegen.

Das Wichtigste im Überblick:

  • Fondsverband BVI und weitere Verbände passen ESG-Zielmarktkonzept an
  • Orientierung an EU-Leitlinien
  • Fondsgesellschaft: „Waffen sind notwendig, aber nicht nachhaltig“

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Debatten fördern als Anlass

Wer sich bisher für ESG-Fonds interessierte, konnte weitestgehend sicher sein, dass – neben einigen anderen ausgeschlossenen Bereichen – die Rüstungsindustrie kaum einen Euro der eigenen Anlage sehen würde. Fonds mit Nachhaltigkeitskriterien durften laut ESG-Zielmarktkonzept nur dann in Unternehmen investieren, wenn hier weniger als zehn Prozent des Umsatzes auf Rüstungsgüter entfallen. In Kürze ändert sich dieser Aspekt allerdings. Der Fondsverband BVI und weitere beteiligte Verbände veränderten das Konzept entsprechend. Wie Dr. Magdalena Kuper, Leiterin Nachhaltigkeit beim deutschen Fondsverband BVI, kürzlich in einem Interview erklärte, gibt es für diese Überarbeitung verschiedene Gründe. Unter anderem gebe es seit Beginn des Ukraine-Kriegs „eine breite gesellschaftliche Debatte“ über den Ausbau der Rüstungsindustrie zur Verteidigung der demokratischen Grundordnung. „Mit dem Ausschluss der Rüstungsfinanzierung im ESG-Zielmarktkonzept haben wir diese Debatte bislang unterbunden und wollen sie nun auch den Fondsmanagern und den Anlegern ermöglichen“, so Kuper. Darüber hinaus lägen mittlerweile EU-Vorgaben zu Rüstung in Fonds mit Nachhaltigkeitsmerkmalen vor, die bei der letzten Erstellung des Verbändekonzepts gefehlt hätten. Diese Mindeststandard sollen nun für den deutschen Markt übernommen werden.

EU-Definition hebt Einschränkung auf

Die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) veröffentlichte im Mai 2024 ein 10-seitiges Papier mit Leitlinien zu Fondsnamen, die ESG- oder nachhaltigkeitsbezogene Begriffe verwenden. Dies liegt mittlerweile auch in deutscher Sprache vor. Darin wird (mit Verweisen) definiert, wie die europäischen Mindeststandards definiert sind. „Demnach sind lediglich völkerrechtlich geächtete Waffen, wie zum Beispiel Streubomben, chemische und biologische Waffen, in als nachhaltig bezeichneten Fonds verboten“, erläutert Magdalena Kuper. Aus den Klarstellungen der EU-Kommission ergäben sich neue Erkenntnisse, z. B. zur Vereinbarkeit der EU-Taxonomie mit Investitionen in Rüstungsunternehmen.

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Fonds dürfen frei entscheiden

Inwieweit Fondsgesellschaften bereit sind, Fonds mit Nachhaltigkeitsmerkmalen für Rüstungsunternehmen weiter zu öffnen als bisher, lässt sich kaum vorhersagen. Von Union Investment, der Fondsgesellschaft der DZ Bank, erhielt Brokervergleich.de die Aussage, dass jene zunächst einmal als Treuhänder ihren Kunden verpflichtet ist. Insofern müsse berücksichtigt werden, dass die Haltung der Kunden gegenüber Investitionen in Rüstungsgüter unterschiedlich ausfällt. „Als konventioneller Investor können wir auch in Rüstungsunternehmen investieren, wenn diese nicht an der Herstellung geächteter Waffen wie z.B. Landminen und Streubomben beteiligt sind“, so Dr. Henrik Pontzen, Chief Sustainability Officer von Union Investment. „Als nachhaltiger Investor können und wollen wir Rüstung dagegen nicht direkt fördern. Auch wenn einige Konzerne einen hohen Umsatzanteil in Geschäftszweigen erwirtschaften, die nicht der Rüstung zuzurechnen sind, kommen diese Unternehmen nicht für unsere nachhaltigen Fonds in Frage.“

Das liege daran, dass eine Kernanforderung an nachhaltige Geschäftsfelder den „Do no significant harm“-Grundsatz (DNSH) verfolgt, d. h. es gilt, keinen wesentlichen Schaden anzurichten. Waffen gehen aber notwendigerweise mit diesen Beeinträchtigungen einher. „Waffen sind notwendig, aber nicht nachhaltig. Deshalb investieren unsere konventionellen Fonds in Rüstungsunternehmen und unsere nachhaltigen nicht“, sagt Dr. Henrik Pontzen weiter.

In die gleiche Richtung geht eine Aussage von vividam, einem Robo-Advisor, der auf nachhaltige Geldanlagen spezialisiert ist. „Wir schließen Waffen aus unserer Anlagestrategie aus. Damit gehen wir auch konform mit dem FNG (Forum Nachhaltige Geldanlagen, die Red.) und den derzeitigen Siegelkriterien. Auch regulatorisch ist es schwierig zu argumentieren, da Anlagen nicht gegen das DNSH verstoßen dürfen“, so Frank Huttel, Leiter Portfoliomanagement von vividam.

Fazit

Für Anleger gibt es den Tipp, sich demnächst noch besser zu informieren, in welche Produkte bzw. Unternehmen ihre ESG-Investitionen fließen. Die persönlichen Präferenzen und Bedingungen sollten mit dem Angebot übereinstimmen. Immerhin gilt aber: Anpassungen in Bezug auf Tabak oder Kohleabbau sind in nächster Zeit nicht zu befürchten. Apropos Zeit: Wann die neue, überarbeitete Variante des ESG-Zielmarktkonzepts fertig auf dem Tisch liegt, steht noch nicht fest.

Quellen und weiterführende Links

BVI: Ausschluss für Rüstung soll fallen
ESMA: Leitlinien zu Fondsnamen, die ESG- oder nachhaltigkeitsbezogene Begriffe verwenden (PDF)