Börsen schreiben Brandbrief an die EU-Finanzminister

Mittwoch den 4.09.2024 - Abgelegt unter: Aktien, Börse, Kleinanleger, Steuern

Börsengänge von Tech- und Wachstums-Unternehmen finden immer häufiger in den USA statt und Europas Börsen haben das Nachsehen. Weil diese Entwicklung in die falsche Richtung geht, schickten Börsen und Verbände aus Deutschland und Frankreich jetzt einen Brandbrief an die EU-Finanzminister.

Das Wichtigste im Überblick:

  • Brandbrief der Deutschen Börse und Euronext an die EU-Kommission und Finanzminister
  • Börsengänge: Bessere Bewertungen und steuerliche Vorteile locken nach Amerika
  • Vier Vorschläge zur Verbesserung der Situation

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Wenn der Börsengang ansteht, dann sind europäische Börsen aktuell nur zweite Wahl. Dieser Eindruck könnte zumindest entstehen. Ob der Musik-Streamingdienst Spotify oder der Corona-Impfstoff-Hersteller Biontech – diese Unternehmen entschieden sich gegen Frankfurt, Paris oder Stockholm und starteten lieber in New York an der Börse. Mit Klarna steht ein nächster Kandidat in den Startlöchern, der ein US-Listening plant und auch das Berliner Fintech Raisin schwankt offenbar zwischen einem IPO (Initial Public Offering) in Frankfurt am Main oder in New York.

Die Situation sei alarmierend, sind sich die Deutsche Börse, die Euronext sowie die Tech-Wirtschaftsverbände aus Deutschland und Frankreich einig, weshalb sie jetzt einen Brandbrief an die EU-Finanzmitglieder und die EU-Kommission verfasst haben. Darüber hinaus unterzeichneten auch der Deutsche Start-up-Verband, der französische Start-up- und Venture-Capital-Verband France Digital und das europäische Start-up-Network das Schreiben.

Laut dem Handelsblatt erklärten die Börsen und Verbände gemeinschaftlich, dass vor allem ökonomische Gründe an dieser Entwicklung schuld seien. Es mangele den Wachstumsfirmen in Europa sicher nicht an Patriotismus. „In den USA gibt es einen tieferen und breiteren Kapitalmarktals in Europa, an dem Firmen potenziell höhere Bewertungen erzielen können“, wird das Papier zitiert. Zudem weisen die Autoren des Brandbriefs daraufhin, dass es 2021 in den USA mehr Tech-Börsengänge gegeben habe als in Europa über acht Jahre hinweg (2015 bis 2023). Wie eine Studie von McKinsey („Overcoming the European Tech IPO Challenge“) belegt, entstand Europa damit ein wirtschaftlicher Verlust von 439 Milliarden US-Dollar.

„Börsengänge außerhalb Deutschlands und Europas führen zu einem Verlust an Wertschöpfung bei uns und schwächen unseren Wirtschaftsstandort“, erklärte Verena Pausder, Vorstandsvorsitzende des Startup-Verbands.

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Börsengänge wieder nach Europa holen

Die Forderung im Brandbrief ist schlicht: Europa müsse seine besten Börsengänge „zu Hause“ behalten. Wie das gelingen soll? Dafür unterbreiten die Börsen und Verbände vier Vorschläge:

  • Stärkung des Risikokapitals in der sogenannten Wachstumsphase
  • Neue Anreize für mehr Liquidität
  • Geringere Transaktionskosten für Aktieninvestitionen im Ausland
  • Stärkere Anreize für Aktieninvestments

Das Vorschlagspaket enthält u. a. die Forderungen nach gelockerten und EU-weit einheitlichen Steuervorschriften für Anleger, stärkere Finanzierungen in der Expansions- und Wachstumsphase von Start-ups (meist in den Jahren vier bis sechs) sowie mehr Finanzbildung und Investmentanreize für EU-Bürger.

Kritik am Zukunftsfinanzierungsgesetz II

Als Hinweis geben die Verfasser des Brandbriefs den Adressaten mit, sich gegebenenfalls am schwedischen System für die aktienbasierte Altersvorsorge zu orientieren.

Hierzulande steht in Hinsicht auf die Attraktivität von IPOs das Zukunftsfinanzierungsgesetz II in den Startlöchern. Am vorliegenden Gesetzentwurf gibt es indes noch einiges an Kritik. So bemängelte die Start-up-Branche, dass ein vorgesehener Absatz im Gesetz zu einer Erhöhung des Freibetrags für Kapitalbeteiligungen am eigenen Unternehmen (von 2.000 auf 5.000 Euro) nicht mehr in der jüngsten Fassung zu finden ist.

Quellen und weiterführende Links

McKinsey: Overcoming the European Tech IPO Challenge
Handelsblatt: Viele europäische Tech-Firmen wandern in die USA ab