EU-Kleinanlegerstrategie: Stärkung des Anlegerschutzes und Provisionsverbot light
Es ist mal wieder so weit: Die EU-Bürokratie sieht sich nach eigener Ansicht in der Pflicht regulierend in den Kapitalmarkt einzubringen – und zwar mit der von ihr selbst so betitelten „EU-Kleinanlegerstrategie“. Was es damit auf sich hat und womit nun sowohl private Anleger als auch die Berater-Branche rechnen müssen? Schauen wir es uns im Detail an.
Das Wichtigste auf einen Blick
- Die EU-Kleinanlegerstrategie (RIS) soll dazu beitragen, dass mehr Menschen in Europa an Investitionen teilnehmen können.
- Angestrebt wird ein besserer Schutz vor Risiken durch Beratungsstandards und Verbot bestimmter Verkaufsprovisionen.
- Kritik: Regeln für Produktgestaltung und Vermittlung von Anlageprodukten werden komplexer und der Vermögensaufbau möglicherweise erschwert.
EU Kleinanlegerstrategie – Was steck dahinter?
Die Europäische Union hat eine neue Strategie entwickelt, um Kleinanlegern den Zugang zu Kapitalmärkten zu ermöglichen. Die sogenannte EU-Kleinanlegerstrategie (Retail Investment Strategy, RIS) [1] soll dazu beitragen, dass mehr Menschen in Europa an Investitionen teilnehmen können.
Das Ziel der Strategie ist es, die Interessen der Kleinanleger stärker zu berücksichtigen und ihnen einen besseren Schutz vor Risiken zu bieten. Dazu gehört unter anderem die Einführung von Verboten für bestimmte Verkaufsprovisionen sowie die Einführung von Mindeststandards für Anbieter von Finanzprodukten. Darüber hinaus soll auch die Transparenz der Finanzprodukte verbessert werden. Dadurch soll den Anlegern ein besserer Überblick über ihre Investitionen geboten werden und sie vor schlechten Entscheidungen schützen.
Das Ganze basiert auf den Ergebnissen einer Eurobarometer-Umfrage. So hat die Umfrage unter anderem zu der Erkenntnis geführt, dass rund 45 Prozent der europäischen Anleger Zweifel daran haben, dass die Empfehlungen ihrer Anlageberater in ihrem besten Interesse seien. Was nach Auffassung der EU-Regulierer unter anderem zu begründen sei, dass die Gebühren für Kleinanleger 40 Prozent höher liegen als für institutionelle Investoren.
Was in der Praxis bedeutet, dass lediglich 17 Prozent des Vermögens der EU-Haushalte in Wertpapiere investiert sind. Im Vergleich zu den USA, wo immerhin rund 43 % des Vermögens investiert ist, ein zugegebenermaßen schwacher Wert. Ob dies nun an den vermeintlich zu hohen Kosten liegt oder vielleicht mehr an dem Punkt eines zu geringen Vertrauens seitens der Europäer, hier insbesondere der deutschen Anleger, scheint hier jedoch auf einem anderen Blatt Papier zu stehen.
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Die wesentlichen Neuerungen im Rahmen der EU-Kleinanlegerstrategie
Dennoch – mit diesen Neuerungen will die EU-Kommissarin Mairead McGuinness eine Änderung eg. Verbesserung herbeiführen:
1. Objektive Maßstäbe für Anlageprodukte und verstärkte Aufsicht
Die Aufsichtsbehörden Esma und Eiopa spielen eine entscheidende Rolle bei der Regulierung von Finanzprodukten. Gemäß den neuen EU-Richtlinien sollen sie einen objektiven Maßstab für jedes Anlageprodukt entwickeln, der ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis anzeigt. Abweichungen von diesen Benchmarks können dazu führen, dass das betreffende Produkt nicht für den Markt zugelassen wird. Darüber hinaus sind die Unternehmen verpflichtet, alle relevanten Daten an die Aufseher zu übermitteln. Diese Maßnahmen zielen darauf ab, eine verstärkte Aufsicht und einen besseren Schutz für Anleger sicherzustellen.
2. Stärkere Kontrolle von Finfluencern und erhöhte Haftung für Unternehmen
Ein weiteres Anliegen der EU-Kommission ist die stärkere Kontrolle von Finfluencern, also selbstständigen Unternehmern, die in Internetvideos zum Kauf von Finanzprodukten aufrufen. Die Unternehmen, deren Produkte von diesen Finfluencern beworben werden, sind nun für irreführende Angaben und die daraus entstandenen Schäden haftbar. Durch diese Maßnahme wird die Verantwortung der Unternehmen betont und der Schutz der Verbraucher gestärkt.
3. Bessere Beratungsstandards und Vermeidung von Interessenkonflikten
Um sicherzustellen, dass Anlageberater im besten Interesse ihrer Kunden handeln, wurde ein neuer Test eingeführt. Dieser Test soll sicherstellen, dass Berater dem Anleger eine breitere Produktpalette anbieten, die auch Produkte ohne zusätzliche Leistungen umfasst. Dadurch sollen potenzielle Interessenkonflikte minimiert werden, und Anleger können sicher sein, dass die Empfehlungen ihres Beraters in ihrem besten Interesse liegen.
4. Einstieg in das Provisionsverbot: Mehr Transparenz für Verbraucher
Eine bedeutende Neuerung besteht darin, dass Provisionen für reine Ausführungsgeschäfte nun verboten sind. Das bedeutet, dass ein Finanzdienstleister keine Provision mehr verlangen kann, wenn er lediglich die Order eines Kunden ausführt, ohne eine Beratung anzubieten. Dieser Schritt wird als der „Einstieg in das Provisionsverbot“ bezeichnet und zielt darauf ab, Interessenkonflikte zu minimieren und den Schutz der Verbraucher zu stärken. Allerdings bleiben Provisionen für Beratungsleistungen weiterhin erlaubt. Eine Beratungsleistung wird dabei nur als eine persönliche, individuell auf den Kunden zugeschnittene Empfehlung definiert. Die EU-Kommission behält sich jedoch vor, in der Zukunft ein vollständiges Provisionsverbot einzuführen, wenn die Branche die neuen Transparenz- und Verhaltensregeln nicht ausreichend umsetzt.
5. Höhere Transparenz durch umfassende Kostenangaben
Ein weiterer wichtiger Aspekt der neuen EU-Richtlinien betrifft das Informationsblatt, das Anleger beim Kauf eines Finanzprodukts erhalten. Zukünftig müssen sämtliche Kosten und Risiken prominent auf der ersten Seite des Informationsblattes dargestellt werden. Diese Maßnahme zielt darauf ab, die Transparenz zu erhöhen und sicherzustellen, dass Verbraucher vor dem Kauf eines Finanzprodukts umfassend über mögliche Kosten und Risiken informiert sind. Indem die Informationen klar und deutlich präsentiert werden, sollen Anleger in die Lage versetzt werden, fundierte Entscheidungen zu treffen.
6. Erleichterter Produktkauf für erfahrene Anleger
Abschließend wird es für erfahrene Anleger erleichtert, neue Produkte zu erwerben, da sie nicht mehr so viele Formulare ausfüllen müssen. Dieser Schritt soll den Kaufprozess vereinfachen und gleichzeitig sicherstellen, dass erfahrene Anleger nicht unnötig durch bürokratische Hürden eingeschränkt werden.
Diese Maßnahmen und Regelungen sollen nun innerhalb von 3 Jahren seitens der Finanzindustrie in die Praxis umgesetzt werden. Das dies so geschieht soll laut Aussage von Valdis Dombrovskis, Vize-Präsident der Europäischen Kommission anhand der Beteiligung der Kleinanleger an den Märkten überprüft werden. Investieren also nicht mehr Kleinanleger, wollen die Regulierer der EU wissen, warum und welche Probleme noch überwunden werden müssen. Nun ja.
Was sagt die Finanzindustrie zu den Neuerungen der EU-Kleinanlegerstrategie?
Stellt sich abschließend die Frage, wie die Finanzindustrie auf diese Neuerungen reagiert? Der Gesamtverband der Versicherungswirtschaft (GDV) und sein Vorsitzender Jörg Asmussen bewertete indessen die Signale aus Brüssel „mit einer gewissen Distanz“:
„Insgesamt werden mit der Kleinanlegerstrategie die Regeln für Produktgestaltung und Vermittlung von Anlageprodukten rigider und komplexer, womit die EU den Bürgern den Vermögenaufbau letztendlich eher erschwere.“
Auch Norman Wirth, Geschäftsführender Vorstand Bundesverband Finanzdienstleistung (AfW) kritisiert die Neuerungen deutlich:
„Gerade diejenigen Personen, welche die Kunden unabhängig und ausschließlich in deren Interesse beraten sollen – die Versicherungsmaklerinnen und -makler – im Wettbewerb massiv benachteiligt.“
Fazit und Zusammenfassung
Die neuen EU-Richtlinien zur Regulierung von Finanzprodukten stellen einen bedeutenden Schritt zur Stärkung des Verbraucherschutzes dar. Mit dem Verbot von Provisionen für reine Ausführungsgeschäfte, der Erhöhung der Transparenz, der Einführung strengerer Beratungsstandards und einer verstärkten Aufsicht über die Finanzbranche zielen diese Maßnahmen darauf ab, das Vertrauen der Verbraucher wiederherzustellen und den Finanzmarkt fairer und sicherer zu gestalten.
Nach der Kommissionsvorstellung werden die Mitgliedstaaten im Rat und die EU-Kommission ihre jeweiligen Positionen ausarbeiten, bevor die EU-Institutionen im Trilog darüber verhandeln werden.
Es bleibt also abzuwarten, ob und wie sich die Branche an die neuen Regeln anpasst und welche weiteren Entwicklungen in Zukunft zu erwarten sind.
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Weiterführende Links und Quellen:
[1] EU Kommission Gesetzesentwurf
euractiv.de: EU-Kleinanleger-Strategie: Verbot von Verkaufsprovisionen vom Tisch