EZB-Präsidentin fordert schnellere Kapitalmarktunion

Donnerstag den 28.11.2024 - Abgelegt unter: Banken, Brokernews, FinTech, Online-Broker News

Ende November 2024 fand der 34. European Banking Congress in Frankfurt am Main statt und im Rahmen einer Rede forderte Christine Lagarde, Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB), erneut eine Kapitalmarktunion (CMU, Capital markets union). Die bestehenden Anstrengungen, die fragmentierten Kapitalmärkte in Europa enger zu verzahnen, müssten verstärkt werden. Sonst drohe Europa im globalen Wettbewerb weiter zurückzufallen.

Das Wichtigste im Überblick:

  • EZB-Präsidentin Christine Lagarde spricht sich für beschleunigten Weg zu einer Kapitalmarktunion aus
  • Drei Herausforderungen, drei Lösungsansätze
  • Fazit: Weshalb der Weg trotzdem kaum abkürzbar sein könnte

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Veränderungen zwingen Europa zum handeln

Gleich zu Beginn startete Lagardes Rede mit einem Zitat von Martin Luther King: Wir müssen erkennen, dass das Morgen in unserem Heute liegt. In Bezug auf ihr Thema bedeutete dies, dass es fünf vor zwölf ist, die Kapitalmärkte zu integrieren und eine Kapitalmarktunion umzusetzen. Als Herausforderungen verwies sie u. a. auf die immer größere technologische Kluft zwischen den USA und Europa. „Seit dem vergangenen Jahr zeigt sich immer deutlicher, dass Europa im Bereich Innovationen zurückfällt“, so Lagarde. Auch das geopolitische Umfeld verschlechtere sich und in allen Teilen der Welt kämen zunehmend Bedrohungen für den freien Handel auf. „Da die EU die offenste der großen Volkswirtschaften ist, treffen sie diese Entwicklungen stärker als andere Volkswirtschaften.“ Zusammenfassend erklärte Christine Lagarde, dass die Kapitalmarktunion im Zentrum all dieser Herausforderungen stehe.

Ohne ihn wirklich zu erwähnen, beschäftigte sich die Aussage in erster Linie mit dem angekündigten Vorhaben des designierten US-Präsidenten Donald Trump, die Zölle auf Importe in die Vereinigten Staaten teilweise drastisch anzuheben – darunter Importzölle auf Waren aus Mexiko und Kanada (je 25 Prozent) sowie zusätzliche Zölle auf Waren aus China (60 Prozent). Experten erwarten massive Handelskonflikte, die auch die Wirtschaft in Europa treffen.

Hinsichtlich der Schwierigkeiten, technologische Innovationen in Europa zu finanzieren erklärte Lagarde, dass Banken an dieser Stelle zwar eine wesentliche Rolle spielten, es jedoch für „die Frühphasenfinanzierung bahnbrechender Innovationen integrierte Kapitalmärkte“ brauche.

Kernproblem der Kapitalmarktunion

Der Haken: Trotz der Dringlichkeit verzeichnete Europa keinen spürbaren Fortschritt in Bezug auf die Kapitalmarktunion. Lagarde bemerkte, dass die Umsetzung weiterhin sehr unscharf definiert sei. Ihre Kritik: Die nationalen Eigeninteressen zerpflückten die Kapitalmarktunion bzw. Bestrebungen dahin bereits vorab. Seit 2015 gab es 55 Regulierungsvorschläge sowie 50 nichtlegislative Initiativen. Laut Lagarde gehe es allerdings mehr in die Breite, statt in die Tiefe. Deshalb müsse ein Umdenken her.

Sie definierte an dieser Stelle, dass das Kernproblem der Kapitalmarktunion darin bestehe, dass die Verbindung zwischen Sparern und Innovatoren an drei wichtigen Stellen blockiert sei. Nachfolgend listen wir diese Punkte auf.

    Sparer in Europa halten zu viel Geld in niedrig verzinsten Spareinlagen und stellen sie deshalb nicht ausreichend dem Kapitalmarkt zur Verfügung

    Zu viel Geld bleibt in den nationalen Landesgrenzen stecken und bewegt sich nicht innerhalb der europäischen Kapitalmärkte

    Ersparnisse, die durch den Kapitalmarkt zugeteilt wurden, gelangen aufgrund des unterentwickelten Ökosystems für Risikokapital nicht zu innovativen Unternehmen bzw. Sektoren

Für diese Probleme benötige Europa unterschiedliche Lösungen.

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Fragmentiert, intransparent und teuer

Besonderes Augenmerk legte Lagarde auf den Umstand, dass in Europa ca. 11,5 Billionen Euro in Bargeld oder Einlagen gehalten würden – etwa ein Drittel des gesamten Finanzvermögens der privaten Haushalte. Zum Vergleich: In den USA beträgt dieser Anteil nur etwa ein Zehntel. Lagarde rechnete vor, dass bis zu acht Billionen Euro in Richtung langfristiger börsenbasierter Investments umgeschichtet werden könnten, wenn sich die Europäer am Verhalten der US-Amerikaner orientierten. Das ergab eine EZB-Analyse.

Ein relevanter Aspekt, weshalb Europäer ihre Vermögenswerte nicht diversifizierten: Retail-Investitionen in Europa sind, so die EZB, zu fragmentiert, intransparent und teuer. Insgesamt sei investieren in vielen Ländern zu komplex und das Vertrauen in Anlageberater niedrig.

Als Antwort, wie sich das ändern könnte, wirft Lagarde mehr Wettbewerb und eine breitere Palette an geeigneten Anlageprodukten in den Ring. So entstünden Anlagen, die leichter zugänglich, transparent und erschwinglich seien. Christine Lagarde propagiert hier eine Reihe standardisierter EU-Sparprodukte. Ergänzt würde das Konzept durch die länderübergreifende Harmonisierung von Steueranreizen.

Der bisherige Weg dauert zu lange

Damit das Geld dann dorthin gelangt, wo es gebraucht wird – also bei innovativen Unternehmen – gebe es noch eine Menge Arbeit. Dabei sei der schrittweiser Ansatz, der auf die Harmonisierung einer Vielzahl nationaler Rechtsvorschriften ausgerichtet ist, schlichtweg viel zu langwierig. Lagarde will das mit der Schaffung einer europäischen Wertpapier- und Börsenaufsichtsbehörde nach dem Vorbild der US-amerikanischen Securities and Exchange Commission (SEC) lösen. Neben diesem Ziel nennt sie noch andere Optionen, z. B. dass Unternehmen, die bestimmte Kriterien erfüllen, automatisch unter EU-Zuständigkeit fallen. Das entspräche dem Vorgehen bei der Wettbewerbskontrolle oder der Bankenaufsicht. Eine andere Möglichkeit wäre es, ein sogenanntes 28. EU-Regime zu bilden, „mit deren Hilfe wir in Bereichen, in denen der Fortschritt stockt, einen speziellen Rechtsrahmen schaffen könnten.“

Bezüglich des Kapitalflusses in der EU in innovative Sektoren schrieb Lagarde ebenfalls einige Anregungen in das Planungsbuch.

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Fazit

Die Pläne sind groß, die Forderungen im Prinzip nicht neu: Mehr Geld von Kleinanlegern soll in die Finanzmärkte fließen, womit sich das Kapital für Innovationen (digital, grün, etc.) erhöht. Auch sollen Unternehmen weniger bürokratische Hürden nehmen müssen, wenn sie an Kapital kommen wollen. Jetzt haben sich zwar die EU-Staats- und Regierungschefs für eine Beschleunigung des Projekts Kapitalmarktunion ausgesprochen und auch Leute wie Stephan Leithner, Co-Chef der Deutschen Börse, sprachen sich jüngst für diese Entwicklung aus, aber das ganze gleicht der Quadratur des Kreises. Der europäische Markt ist komplett zersplittert. Überall gelten unterschiedliche Regularien und kaum ein Staat wird ohne weiteres bereit sein, seine individuellen Regeln gegen andere EU-Standards auszutauschen. Zudem dürfte sich eine Verhaltensänderung bei Sparern, vor dem Hintergrund einer lahmenden Konjunktur in Europa, eher länger als kürzer hinziehen. Ob ein paar EU-Sparprodukte reichen, darf angezweifelt werden. Der Trend zu mehr nationalen Interessen macht die Angelegenheit nicht leichter. Last but not least: Bürokratieabbau gehört nicht zu den Stärken in der EU. Die EZB hat sich hingegen mit den Aussagen von Christine Lagarde recht deutlich positioniert, wohin der Weg gehen soll.

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Weiterführende Links und Quellen: