Historische Anomalie: Ölpreis sinkt ins Minus
Bis vor kurzem war es ein eher theoretisches Gedankenspiel: Negative Ölpreise. Am 20. April 2020 war es allerdings soweit. Kurzfristig brach der Preis für den Terminkontrakt auf die amerikanische Öl-Sorte WTI drastisch ein und landete bei -40,32 US-Dollar je Barrel (42 US-Galloren = 159 Liter). Am Morgen des entsprechenden Tages lag der Preis noch bei rund 18 US-Dollar.
Das Wichtigste auf einen Blick
- WTI-Einbruch auf bis zu -40 US-Dollar
- Nachfrage nach Öl sinkt: Prognose für 2020 sieht 9,3 Millionen Barrel pro Tag weniger voraus
- WTI-Ölpreis stabilisiert sich zum Wochenende hin
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Einen Absturz in diesen Dimensionen inklusive negativem Preis habe es seit Einführung der Future-Märkte 1985 nicht gegeben, kommentierte Marktanalyst Salah-Eddine Bouhmidi von IG das Geschehen diese Woche. Wie konnte es zum Einbruch kommen? Bouhmidi erklärte, dass am folgenden Dienstag der Future-Kontrakt für den Monat Mai auslief, was zahlreiche Händler dazu bewegte, schnell und gegebenenfalls verlustreich zu verkaufen, da ihnen sonst die Lieferung des Öls drohte.
Problematisch ist der Umstand, dass die Lagerkapazitäten der Öl-Käufer bereits strapaziert bzw. erschöpft und vor allem teuer sind. Die Öl-Staaten fördern weiterhin mehr, als es weltweiten Bedarf gibt.
Nachfrage nach Öl sinkt um ein Drittel
Aufgrund der Coronavirus-Pandemie liegt die Nachfrage derzeit rund 1/3 unter den Normalwerten. Eine kürzlich veröffentliche Prognose der Internationalen Energieagentur (IEA) geht im Jahr 2020 von einem Rückgang um 9,3 Millionen Barrel pro Tag aus. Für den April 2020 berechneten die Experten sogar einen um 29 Millionen Barrel pro Tag niedrigeren Wert als im April des Vorjahres. [2]
OPEC+ drosselt, aber zögerlich
Zum Monatsanfang hatte sich die OPEC (Organization of the Petroleum Exporting Countries) inklusive der OPEC+-Staaten (z. B. Russland) auf eine Produktionskürzung um 9,7 Millionen Barrel pro Tag für Mai und Juni geeinigt. Für den Rest des Jahres sollen es acht Millionen Barrel pro Tag weniger sein. Im Zeitraum von Januar 2021 bis April 2022 planen die Staaten Fördermengen, die um sechs Millionen Barrel niedriger liegen. Ausgangsniveau sind die Produktionsmengen im Oktober 2018 bzw. für Saudi-Arabien und Russland ein Ausgangsniveau von 11 Millionen Barrel pro Tag. [3] Zwischenzeitlich stimmten auch die USA und Mexiko einer gedrosselten Erdölförderung zu. [4]
Die vorgenommenen Kürzungen halten manche Experten für sehr zögerlich und die Wirkung verpuffte weitestgehend am Markt.
WTI-Ölpreis auf Erholungskurs
Aktuell hat sich der WTI Ölpreis erholt und lag zum Freitag, 24. April 2020 wieder bei ca. 16 US-Dollar. Für Bewegung nach oben sorgte unter anderem ein Streit zwischen US-Präsident Trump und dem Iran sowie die Hoffnung, dass die OPEC den Öl-Hahn weiter schließen könnte als bisher geplant. Allerdings bleibt die Lage angespannt. Wenn es nicht gut läuft, könnten die WTI-Kontrakte für Juni (Termin: 19. Mai 2020) ebenfalls dramatisch einbrechen.
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Weiterführende Links
[2] Erdöl-Nachfrage sinkt auf Stand von 1995 – Tagesschau.de
[3] OPEC – Wie Saudi-Arabien und Co. den Preisverfall stoppen wollen – Manager-Magazin
[4] Mexiko einigt sich mit den USA über Erdölförderung – Spiegel.de