PFOF-Verbot: Das Ende des kostenlosen Aktienhandels?
Für manchen Neo-Broker hat die jüngste Meldung der Nachrichtenagentur Bloomberg einen interessanten Inhalt: Demnach plant die Europäische Kommission der sogenannten Payment for Order Flow-Praxis (PFOF) gegebenenfalls einen Riegel vorzuschieben. Das könnte das Ende des kostenlosen Aktienhandels bedeuten.
Das Wichtigste auf einen Blick:
- Update 12.04.2022: Deutschland stellt sich gegen PFOF-Verbot
- Update: Entwurf offiziell vorgelegt, PFOF-Verbot soll kommen
- Update: Entwurf der EU-Kommission bestätigt Gerücht zu PFOF-Verbot
- Update: Studie von Trade Republic – keine Nachteile für Anleger durch Handel über L&S
- Update: flatex wehrt sich nach Einbruch der Aktie
- EU will die Rückvergütung für Broker im Rahmen der Überprüfung von MIFID II verbieten
- Ähnliche Verbote werden auch von der US-Börsenaufsicht ins Visier genommen
- Kritik an der derzeitigen PFOF-Praxis vs. günstiger Handelsmöglichkeiten für Kunden
Update 12.04.2022: Deutschland stellt sich gegen PFOF-Verbot
Deutschland will das von der EU-Kommission geplante „Payment for Order Flow“-Verbot verhindern. Das berichtet Finanz-Szene.de u.a. in Bezug auf ein vertrauliches Positionspapier der Bundesregierung. In diesem steht: “Germany strongly opposes the inclusion of the general ban on payment for forwarding client orders for execution.”
In dem vom FDP-geführten Bundesfinanzministerium verfassten Papier heißt es außerdem, ein PFOF-Verbot wäre ein „herber Rückschlag für die gerade beobachtete aktivere Teilnahme von Retail-Investoren in Finanzmärkten, insbesondere durch Neobroker“. Das Schreiben scheint sich zudem gegen die geplanten Consolidated Tapes zu wenden und fordert „weitere Marktdaten“ statt „weitere Verbote“, um „gefährliche Nebeneffekte“ zu verhindern.
Laut Finanz-Szene.de ist nicht nur Deutschland gegen das PFOF-Verbot sein, sondern insgesamt mehr als ein halbes Dutzend EU-Länder. Für das Verbot sind unter anderem die Niederlande.
Update 26.11.2021: Entwurf offiziell vorgelegt, PFOF-Verbot soll kommen
Am Donnerstag, den 25.11.2021, hat die EU-Kommission ihren Entwurf zur Reform der Finanzmarkt-Regulierung vorgelegt und in einer Stellungnahme gegenüber dem Europäischen Parlament bekräftigt, dass ein Payment for Order Flow-Verbot kommen soll. Es handle sich bei den Zahlungen der Handelsplätze an Retail-Broker um eine „kontroverse Praxis“, zitieren finanz-szene.de und Finance Forward aus der Stellungnahme.
Die nationalen Aufsichtsbehörden sollen die Einhaltung der neuen Regeln überwachen und bei Missachtung Sanktionen erteilen. Auch der „konsolidierte europäische Datenticker“ (Consolidated Tape) soll kommen und Anlegern Zugang zu fast in Echtzeit bereitgestellten Handelsdaten für Aktien, Anleihen und Derivate an allen Handelsplätzen in der EU ermöglichen. Marktteilnehmer müssen die Daten bereitstellen. Verstöße werden geahndet.
Die Zustimmung des EU-Parlaments zur Richtlinie steht noch aus. Die Abstimmung ist für Anfang 2022 geplant. Wird die Richtlinie verabschiedet, tritt sie 20 Tage nach Veröffentlichung des Rechtsakts in Kraft.
Update 19.11.2021: Entwurf der EU-Kommission bestätigt Gerücht zu PFOF-Verbot
Die EU-Kommission hat einen Entwurf zur Reform der Europäische Finanzmarktverordnung (Mifir) vorgelegt. Dieser sieht ein Verbot von PFOF vor. Zuletzt war spekuliert worden, ob anstelle des Verbots ein einheitliches Referenzpreis-Register („Consolidated Tape“) eingeführt wird.
Doch finanz-szene.de zitiert nun aus dem Entwurf: „The following Article 39a is inserted: ‘Ban on payment for forwarding client orders for execution: Investment firms acting on behalf of clients shall not receive any fee or commission or non-monetary benefits from any third party for forwarding client orders to such third party for their execution.’“ Das bedeutet, dass Neo-Broker bei der Vermittlung von Orders an Dritte künftig keine Provisionen mehr annehmen dürfen. Allerdings handelt es sich bisher nur um einen Entwurf, nicht um die finale Version.
Ein Verbot ginge vor allem zu Lasten von Neo-Brokern wie Trade Republic, JustTRADE, Gratisbroker und Scalable Broker. Diese setzen oft auf PFOF, wodurch sie auch sehr niedrige Ordergebühren verlangen können. Neo-Broker kritisieren darum nun, eine Entscheidung für ein PFOF-Verbot sei auch auf die Lobby-Arbeit etablierter Broker zurückzuführen, die weniger von PFOF abhängig sind und meist höhere Order-Gebühren verlangen.
Update 18.11.2021: Studie von Trade Republic: Keine Nachteile für Anleger durch Handel über L&S
Der Neo-Broker Trade Republic hat eine Studie zum Thema PFOF in Auftrag gegeben. Diese wurde von der WHU Otto Beisheim School of Management und der University of Southern Denmark durchgeführt und kommt zu folgendem Ergebnis: Die Kurse bei der Börse Lang & Schwarz sind nur in einem Prozent der Fälle schlechter als die bei Xetra, in 21 Prozent der Fälle angeblich sogar besser. Anlegern entstünden demnach keine Nachteile beim Handel über jene Börse.
Hintergrund: Anders als bei vielen klassischen Brokern kann bei Trade Republic nur über einen Handelsplatz, nämlich Lang & Schwarz, gehandelt werden. Analysiert wurden 2,2 Millionen Kauf- und Verkaufstransaktionen von 100.000 zufällig ausgewählten Kunden von Trade Republic im Zeitraum von Juni 2020 bis Juni 2021.
Außerdem sieht es so aus, als würde die EU-Kommission demnächst ihren Entschluss zu PFOF verkünden. Anstelle eines Verbotes könnte ein einheitliches Referenzpreis-Register („Consolidated Tape“) eingeführt werden.
Update 11.11.2021: flatex wehrt sich nach Einbruch der Aktie
Die Meldung um ein geplantes Verbot von PFOF am Dienstag-Vormittag sorgten für ein Kursrutsch beim Online-Broker flatex. Die Aktie stand zu Handelsschluss am 10.11. 7,4 Prozent tiefer als zur Eröffnung. Am Mittwoch setzte sich die Abwärtsbewegung zunächst bis auf 17,14 Euro fort, bevor sich die Aktie etwas erholte.
Flatex reagierte auf den Einbruch mit einer Pressemeldung. Darin widersprach der Online-Broker Gerüchten, PFOF- und ETP-Partnerschaften würden zusammen 20 bis 25 Prozent des Umsatzes von flatexDEGIRO ausmachen. Der Broker könne von einen EU-Verbot von PFOF sogar profitieren.
Laut der Pressemitteilung machen Zuwendungen von Handelsplätzen (PFOF) nur 3,2 Prozent der Gesamteinnahmen von flatexDEGIRO aus. Ein Verbot würde das Unternehmen demnach kaum treffen. Das Unternehmen könne davon sogar profitieren, da andere Broker, die stärker von PFOF abhängig sind, ihre Preise anheben müssten.
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Ursprüngliche Nachricht:
Maßnahmen auch in den USA
Im Rahmen der anstehenden Überprüfung der Finanzmarktrichtlinie MIFID II sei eine Sichtung der Auswirkungen des Vergütungssystems neben anderen Maßnahmen zur Erhöhung der Transparenz vorgesehen. [1]
In den USA erwägt die US-Börsenaufsichtsbehörde (United States Securities and Exchange Commission) eine PFOF-Verbot, speziell vor dem Hintergrund der Ereignisse aus dem Frühjahr, als Mitglieder des sozialen Netzwerks Reddit u. a. den Kurs der Gamestop-Aktie massiv in die Höhe trieben. Hierzu wurde der kostenlose Handel via App-basierten Brokern wie Robinhood verwendet.
Grundlage des kostenlosen Handels ist die genannte Praxis des Payment for Order Flow, d. h. der (Online-)Broker erhält eine Provision/Rückvergütung vom Handelsplatz bzw. Market Maker für eine vermittelte Order – kurz: Er verkauft die Aufträge. Der Market Maker führt dann die Kauf- oder Verkaufsaufträge der Kunden am Handelsplatz aus. Aus der Spanne zwischen Ankauf- und Verkaufspreis erwirtschaftet der Market Maker dann seinen Gewinn, von dem er einen Teil wieder an den Broker als Rückvergütung abführt. Mehr Hintergründe dazu, wie Neo-Broker Geld verdienen, finden sich hier.
Interessenskonflikte vorprogrammiert
Das PFOF-Verfahren hat diverse Kritiker, z. B. aufgrund des potenziellen Interessenskonflikts zwischen den besten Konditionen für einen Anleger vs. einer höheren Rückvergütung für den Broker. Auch illegales Frontrunning wird als Kritikpunkt genannt. Aus den Orders der Anleger lassen sich Tendenzen für den Markt erkennen, die wiederum von Brokern benutzt werden könnten, um eigene Strategie anzupassen und Profit aus dem Anlegerverhalten zu schlagen. Für die Nutzung des Payment for Order Flow spricht, dass die Gebühren speziell für Kleinanleger gesunken sind. [2]
Besonders betroffen wären von einem Verbot z. B. Neo-Broker. Zur Planung des Verbots wollte sich die Europäische Kommission gegenüber den Medien bisher nicht äußern.
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Weiterführende Links und Quellen
[1] Bloomberg: EU Set to Ban Trading Practice Helping Power Meme-Stock Mania
[2] GodmodeTrader: Wird der kostenlose Aktienhandel verboten?
DGAP.de – Pressemeldung von flatex
Handelsblatt – ePaper
Börsen-Zeitung
Finanz-Szene.de – Newsletter
Finanz-Szene.de – Also doch! EU-Entwurf enthält „Payment for Order Flow“-Verbot
Finance Forward – Jetzt offiziell: „Payment for Order Flow“-Verbot im EU-Entwurf
Finanz-Szene.de – Deutschland torpediert “Payment For Order Flow”-Verbot