Robo-Advisor-Test der Stiftung Warentest: Jede Menge Fehler im System
Der aktuelle Robo-Advisor-Test der Stiftung Warentest umfasst 25 Anbieter und vergibt immerhin vier Mal die Note „gut“, aber auch einmal die Bewertung „ausreichend“ und gleich acht Mal „mangelhaft“. Gründe für die häufigen Abwertungen: Zu viel Risiko, zu hohe Kosten. Wir haben uns den Test angesehen und müssen feststellen: Mängel finden wir auch hier an vielen Stellen.
Das Wichtigste auf einen Blick:
- Rendite spielt für die Stiftung Warentest bei Robo-Advisorn weiterhin eine untergeordnete Rolle
- Abwertung für Risiken, die keine sind
- Kosten sind nicht gleich Kosten
- Macht das Sinn? Mangelhafte Bewertungen aufgrund des „Beipackzettels“
Wo ist die Rendite?
Wer die Wirkung eines Medikaments bewertet, würde wahrscheinlich den Effekt nach dessen Einnahme betrachten. Der Beipackzettel wäre wichtig, aber irgendwie Beiwerk. Im Bereich der Finanzen scheint das manchmal umgekehrt. Alle Jahre wieder und auch aktuell testete die Stiftung Warentest eine Anzahl von Online-Vermögensverwaltungen [1] und legte dabei das „größte Gewicht auf die Produkt- und Kosteninformation“. Sicherlich dringend notwendige und relevante Informationen, aber Anleger dürften in erster Linie an anderen Daten interessiert sein, z. B. welche Rendite schafft der Anbieter nach Abzug von Kosten und Gebühren? Darauf geht der Test der Verbraucherorganisation 2021 wieder nicht näher ein. Zwar sahen sich die Tester erstmals an, „was bei der Geldanlage der Robos herausgekommen ist“, Noten bzw. Punkte wurden indes nicht vergeben.
„Wir halten den Verzicht auf eine entsprechende Rendite-Bewertung für den essenziellen Fehler des Tests“, erklärt Daniel Franke, Finanzexperte von Brokervergleich.de. „Damit wird das primäre Ziel einer Anlage völlig vernachlässigt. Darüber hinaus dürfte das ‚Qualitätsurteil: mangelhaft‘ bei diversen Anbietern – nach unseren Erfahrungen aus der Praxis – nicht gerechtfertigt sein. Bereits die Grundprämisse, auf deren Basis abgewertet wurde, ist nämlich strittig.“
Drei Beispiele, die Fragen aufwerfen
Als Beispiele dienen Franke u. a. die Anbieter Fidelity Wealth Expert, Warburg Navigator und Vividam, die im Rahmen des Tests der Stiftung Warentest jeweils ein „mangelhaft“ erhielten. Wird die Performance des Echtgeld-Tests von Brokervergleich.de für das Jahr 2020/2021 herangezogen, so landeten der Robo-Advisor von Fidelity International mit +28,3 Prozent und die digitale Vermögensverwaltung der FiNet Asset Management AG bei +19,4 Prozent – d. h. Platz 2 und 4 im Feld der 25 Anbieter, nach Abzug sämtlicher Kosten und Gebühren. Der Warburg Navigator platzierte sich mit +14,9 Prozent im soliden Mittelfeld.
Robo-Advisor im Echtgeld-Test von Brokervergleich.de »
Hauptgrund für die Abwertung der beiden erstgenannten Online-Vermögensverwaltungen war, dass die Stiftung Warentest ihnen deutliche „Mängel im Portfolio“ vorwarf. Bei Vividam gebe es z. B. „keinen echten Sicherheitsbaustein.“ In dieser Hinsicht darf sich der Anleger fragen, inwieweit sich das Ideal der Tester von einer echten Anlagestrategie mit Risikomanagement unterscheidet? „Die Zusammensetzung einer Anlage bei digitalen Vermögensverwaltungen ist zunächst einmal keine statische Angelegenheit, sondern lässt sich meist nach Marktlage nachjustieren“, so der Experte von Brokervergleich.de. Überdies scheine die Stiftung Warentest davon auszugehen, dass am Ende des Jahres bei allen Anbietern das gleiche Ergebnis unter dem Bilanzstrich stehen müsse.
Risikomanagement ist kein starres Konstrukt
Hilfreich für die Praxis kann indes ein Blick auf die Risikoanalyse des Echtgeld-Tests (1.5.2020 bis 30.4.2021) sein. Wird der Maximum Drawdown (also der maximale Verlust innerhalb von zwölf Monaten) in Augenschein genommen, landet ausgerechnet Vividam bei erfreulich niedrigen -1,0 Prozent, was den 4. Platz von 21 Anbietern bedeutet. Zugebenermaßen muss sich Fidelity (-3,1 Prozent) mit einer Platzierung im hinteren Drittel zufriedengeben, schneidet dafür in der Return-Drawdown-Ratio-Betrachtung eher gut ab. Diese Kennzahl zeigt, wie das Rendite-Risiko-Verhältnis eines Investments ausfällt. Besonders schlecht schlug sich 2020/2021 kein Anbieter.
Anbieter | Bewertung jährliche Kosten – Stiftung Warentest 2021 | Performance Echtgeld-Test (1.5.2020 bis 30.4.2021) | Return-Drawdown-Ratio (1.5.2020 bis 30.4.2021)* |
---|---|---|---|
quirion | gut (2,2) | +15,1% | 11,0 |
growney | befriedigend (3,3) | +14,7% | 14,4 |
Robin | befriedigend (3,3) | +16,0% | 6,3 |
Scalable Capital | befriedigend (3,3) | +15,9% | 13,3 |
fintego | ausreichend (3,8) | +12,4% | 9,9 |
Kapilendo | befriedigend (3,4) | +8,5% | 5,8 |
Pixit | ausreichend (4,0) | +13,1% | 8,5 |
Whitebox | ausreichend (4,0) | +15,0% | 3,9 |
ginmon | ausreichend (3,6) | +18,1% | 27,2 |
Investify | ausreichend (4,4) | +11,3% | 29,4 |
VisualVest | befriedigend (3,2) | +11,9% | 12,5 |
Minveo | mangelhaft (5,0) | +8,0% | 2,2 |
Warburg Navigator | mangelhaft (5,2) | +14,9% | 12,4 |
cominvest | mangelhaft (5,5) | +2,3% | 1,1 |
Fidelity Wealth Expert | mangelhaft (4,7) | +28,3% | 9,1 |
Penigar | mangelhaft (5,3) | +11,6% | 7,5 |
Vividam | mangelhaft (5,5) | +19,4% | 19,4 |
* Je höher die Kennzahl Return-Drawdown-Ratio, desto besser ist das Rendite-Risiko-Verhältnis eines Investments. Quelle: Eigene Berechnungen aus den Echtgelddepots der Robo-Advisors. Alle Angaben ohne Gewähr |
Die Kostenfalle
Abseits der genannten Beispiele halten die Anlageexperten von Brokervergleich.de den Ansatz einer „zwangsläufigen Kostenersparnis“ als Kernelement des Robo-Advisors-Tests für kritisch. Sicherlich sollten automatisierte Anlagen günstig sein, aber sie müssen es nicht um jeden Preis. Es gelte: In den Kosten steckt auch immer eine Service-Pauschale. „Es kommt auch auf den Anbieter und das Portfolio an. Wird beispielsweise nur in nachhaltige Investments investiert, dann sind die Kosten häufig höher – das liegt in der Natur der Sache. Das reicht aber nicht, um zu einer Bewertung mit ‚mangelhaft‘ zu führen“, so Daniel Franke.
An dieser Stelle noch einmal zum Beispiel Warburg Navigator. Auch der Robo-Advisor der größten inhabergeführten Privatbank Deutschlands wurde wegen hoher jährlicher Kosten „abgestraft“. Das Anleger hier zusätzlich für die menschliche Expertise zahlen (die gibt es obendrauf), dürfte selbst Neukunden ersichtlich sein. Eine reine Betrachtung der Kosten auf dem Papier reiche als Bewertungsgrundlage nicht aus.
30 Robo-Advisor im Vergleich »
Fazit: Ein Test mit Mängeln
Sicherlich haben einige Aspekte des Robo-Advisor-Tests der Stiftung Warentest ihre Berechtigung. Die Bewertung der Datenschutzerklärung durch Juristen, die Mängelliste in den Vertragsbedingungen oder die Untersuchung der Produkt- und Kosteninformation – alles nachvollziehbar. In diesen Punkten sind die Betrachtungsweisen von Brokervergleich.de und Stiftung Warentest sehr ähnlich. Danach enden die Gemeinsamkeiten aber schnell. Die (deutlich zu starke) Bewertung der Kosten ohne Einbeziehung der Rendite erscheint nicht praxisnah. Die Ermittlung des Kundenstatus auf der Basis „mehr ist mehr“ ist nicht besonders online-tauglich. Den Schwerpunkt auf den „Beipackzettel“ zu legen, ohne die Hintergründe der Unternehmen und das System zu beleuchten, erscheint irritierend. Abschließend wird der Begriff „ausgewogen“ etwas überstrapaziert und nicht präzise definiert. Wir vergeben für diesen Test ein „mangelhaft“.
P.S.: Bei näherer Betrachtung dürfte das vorgeschlagene Vividam Portfolio „Nachhaltig 70“ auch nicht als ausgewogenstes Modell herangezogen werden. Brokervergleich.de investiert in die Variante „Gelassen“ – (vividam Nachhaltig 50).
Weiterführende Links
[1] Stiftung Warentest – Robo-Advisor-Test 2021