Wie die persönliche Lebenssituation die Anlagestrategie beeinflusst
Jede Anlagestrategie muss im Kontext der persönlichen Lebenssituation des Anlegers entwickelt werden. Maßgeblich sind in der Praxis vor allem:
- bereits bestehende Altersvorsorgeansprüche,
- ein geplanter Immobilienerwerb und
- die Ersparnisbildung für den Nachwuchs.
Ein weit verbreitetet Irrtum lautet: Je jünger ein Anleger ist, desto mehr Risiko kann er in Kauf nehmen. Diese folgenschwere Fehleinschätzung hat leider auch Einzug in die Praxis der Bedarfsanalysen bei Banken gehalten – mit zum Teil folgenschweren Konsequenzen.
Je jünger desto mehr Risiko: Ein Trugschluss!
Zugespitzt: Für einen 25jährigen Anleger ist eine Aktienquote von 100 Prozent extrem riskant, wenn in den Folgejahren eine Familiengründung und der Erwerb eines Eigenheims anstehen. Umgekehrt kann ein 70jähriger Pensionär mit gutem Gewissen 100.000 Euro in den Aktienmarkt investieren, wenn der Lebensunterhalt bis zum Lebensende sichergestellt, das Eigenheim bezahlt und der Nachwuchs längst aus dem Haus ist.
An diesen beiden konträren Beispielen wird deutlich, dass das Lebensalter allein keine Rückschlüsse für die Entwicklung einer Anlagestrategie zulässt.
Das Existenzminimum lebenslang sicherstellen
In sehr vielen Fällen reicht insbesondere die gesetzliche Rente schon lange nicht mehr aus. Deshalb muss ein Teil des anzulegenden Vermögens bzw. der laufenden Ersparnisbildung in Anlagen angelegt werden, die zum Eintritt in den Ruhestand mit einer hinreichend großen Wahrscheinlichkeit die Versorgungslücke decken.
Faustregel Nummer Eins lautet: Eine Anlagestrategie sollte darauf abzielen, das lebensnotwendige Existenzminimum bis zum Lebensende sicherzustellen. Relevant ist dabei insbesondere die Altersversorgung.
Hier sollte zunächst ermittelt werden, welcher Teil des im Ruhestand notwendigen Einkommens durch Quellen gedeckt wird, die sich dem unmittelbaren Einfluss des Anlegers entziehen. Allen voran sind dies Renten- und Pensionsansprüche.
Versorgungslücke wird durch Riester und Rürup kaum kleiner
Diese Versorgungslücke wird aus mehreren Gründen absehbar wachsen. Erstens werden die Bezüge aus der gesetzlichen Rentenversicherung durch die demographische Entwicklung, die chronisch überlasteten öffentlichen Haushalte und weitere Entwicklungen beständig sinken.
Zweitens wird das Einkommen aus den kurz nach der Jahrtausendwende eingeführten staatlich geförderten Altersvorsorgemodellen (Riester/Rürup) voraussichtlich absehbar gering ausfallen.
Pro 10.000 Euro Guthaben werfen Riester-Verträge monatliche Renten von ca. 32,00 Euro ab. Das liegt einerseits an vielfach ungünstigen Vertragsbedingungen bei Verwaltungskosten und Sterbetafeln, andererseits auch an dem seit Anfang des Jahrhunderts niedrigen Zinsniveau. Letzteres betrifft im Übrigen auch die zu erwartenden Leistungen aus der betrieblichen Altersvorsorge.
Die Inflation wird oft unterschätzt
Vor allem junge Anleger unterschätzen häufig die Auswirkungen der Inflation auf das nominal im Ruhestand erforderliche Existenzminimum.
Dazu eine einfache Rechnung: Ein 30jähriger, der mit 65 Jahren in den Ruhestand eintreten und über eine monatliche Realrente von 1.000 Euro verfügen möchte muss so viele Renten- und Kapitalansprüche aufbauen, dass 35 Jahre später monatlich 2375 Euro zur Verfügung stehen. Dieser Wert entspricht 1.000 Euro in den Gegenwart, wenn die Inflationsrate 35 Jahre lang 2,50 Prozent im Jahr beträgt.
Der Vermögensaufbau für den Nachwuchs
Ist bereits Vermögen in größerem Umfang vorhanden oder lässt die Einkommenssituation sowie die diesbezügliche Motivation eine anspruchsvolle Ersparnisbildung zu, können Eltern Vermögen für ihren (minderjährigen) Nachwuchs bilden. Auch hier entscheidet der Zeithorizont über die angemessene Allokation.
Muss mit dem angelegten Vermögen in wenigen Jahren ein auswärtiges Studium finanziert werden sollte der Großteil des „Universitäts-Portfolios“ in festverzinslichen Wertpapieren mit maximal fünf Jahren Restlaufzeit angelegt werden. Erfolgt die Vermögensbildung dagegen mit abstrakten Zielen, bietet sich eine Aktienquote von 100 Prozent an.
Der Einfluss der Immobilie auf die Anlagestrategie
Immobilienbesitz darf bei der Konzeption einer persönlichen Anlagestrategie nicht ausgeklammert werden. Die Berücksichtigung vermietetet Immobilien ist leicht nachvollziehbar: Diese werden so behandelt wie offene oder geschlossene Immobilienfonds und sind in der Regel dem konservativen Teil der Anlagestrategie zuzurechnen.
Anleger mit Immobilienbesitz sollten ihr Wertpapierportfolio dementsprechend offensiver aufstellen und den Aktienanteil im Vergleich zu einer Situation ohne Immobilienbesitz erhöhen.
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Werden die laufenden Erträge aus der Vermietung in Immobilien reinvestiert kann diese Vorgehensweise über einen sehr langen Zeitraum beibehalten werden.
Erfolgt stattdessen eine Wiederanlage der Mieteinnahmen in Wertpapiere muss der Anleiheanteil des Portfolios im Zeitverlauf angehoben werden, weil die Gesamtverteilung ansonsten zugunsten des Aktienmarktes wächst.
Selbstgenutzte Immobilien und Anlagestrategie
Wird eine Immobilie selbst bewohnt muss sie ebenfalls Berücksichtigung in der persönlichen Anlagestrategie finden. Der einfachste Ansatz des Immobilienbesitzes ist die eingesparte Kaltmiete. Unter der Voraussetzung dass die Immobilie lebenslang bewohnt ist entspricht diese einer sicheren, wiederkehrenden Zahlung aus risikolosen Staatsanleihen.
In vielen Kalkulationen wird die eingesparte Kaltmiete allerdings zu hoch angesetzt. Evident wichtig für eine korrekte Bemessung ist die Berücksichtigung sämtlicher Kosten im Zusammenhang mit der Immobilie, die in einem Mietverhältnis nicht anfallen würden.
Dazu gehören insbesondere ausreichend hohe Instandhaltungsrücklagen für die früher oder später obligatorische Sanierung und Modernisierung des Objekts.
Ein gängiges Sprichwort lautet:
Das Eigenheim muss zweimal gekauft werden – einmal zum Zeitpunkt des Erwerbs und ein weiteres Mal kurz vorm Eintritt in den Ruhestand.
Zu diesem Zeitpunkt sollte die Immobilie in einen modernen Zustand gebracht werden. Instandhaltungsrücklagen können in einem Wertpapierportfolio angelegt und zum benötigten Zeitpunkt entnommen werden.
Eigenkapital ansparen mit Wertpapieren?
Vor allem jüngere Anleger stehen selten vor dem Problem, eine bestehende selbstgenutzte Immobilie mit einem Wertpapierportfolio in Einklang bringen zu müssen. Die Aufgabestellung besteht stattdessen in der Aufteilung der Sparquote auf die Kreditrate für einen Immobilienkredit und sonstigen Vermögensaufbau.
In einem noch früheren Stadium wird die regelmäßige Ersparnis zwischen sonstigem Vermögensaufbau und dem Eigenkapital für eine Immobilie aufgeteilt.
Das Ansparen des Eigenkapitals ist grundsätzlich auch in Wertpapieren möglich. Da das Eigenkapital zu einem bestimmten Zeitpunkt bzw. innerhalb eines recht engen Zeitfensters zwingend benötigt wird bieten sich zu diesem Zweck verzinsliche Wertpapiere mit geeigneten Laufzeiten an.
Der Anleiheanteil des Gesamtportfolios kann zum Zwecke der Eigenkapitalbildung vorübergehend angehoben werden.