Kapitalmarkteffizienz
Die Theorie unterstellt dem Kapitalmarkt, effizient zu sein. Doch was genau bedeutet Kapitalmarkteffizienz und in welchen Ausmaß liegt diese in der Realität überhaupt vor? Und welche Rückschlüsse lassen sich daraus für Anlagestrategien von Privatanlegern ziehen?
Im Gegensatz zum rein theoretischen Konstrukt des „vollkommenen Kapitalmarktes“ existiert Kapitalmarkteffizienz unstrittig auch in der Realität. Kapitalmarkteffizienz ist notwendige Bedingung für die Existenz eines vollkommenen Kapitalmarktes, aber nicht umgekehrt. Diskussionswürdig ist allerdings, wie effizient der Markt tatsächlich ist.
Kapitalmarkteffizienz ist Informationseffizienz
Während der vollkommene Kapitalmarkt unter anderem die vollständige Abwessenheit von Steuern, Losgrößen und Transaktionskosten bedingt bezieht sich die Zustandsbeschreibung der Kapitalmarkteffizienz lediglich auf Informationseffizienz. Der US-Ökonom Eugene Fama veröffentlichte 1970 seine Überlegungen zur Effizienzmarkthypothese. Demnach sind Märkte effizient, wenn alle relevanten Informationen bereits im Kurs eskomptiert sind. In strenger Auslegung umfasst dies auch nichtöffentliche Informationen z. B. von Insidern.
Trifft diese These zu, ist es für Anleger nicht möglich Überrenditen durch die Analyse des Marktes zu erzielen. Technische und Fundamentale Analyse ermöglichen ebenso keine über die allgemeine Marktrendite hinausgehenden Spekulationserträge wie der Einsatz von Insiderwissen. Wohlbemerkt: Zu den Prämissen der Technischen Analyse gehört der Grundsatz, dass alle relevanten Informationen bereits im Kurs enthalten seien. Die TA schließt sich damit der Effizienzmarkthypothese an, obwohl sie durch diese für unwirksam erklärt wird.
Effizienzmarkthypothese und Überrenditen
Die Technische Analyse unterstellt weiterhin, dass sich Muster der Vergangenheit wiederholen und der Verlauf eines Charts deshalb Aussagekraft für die weitere Kursentwicklung besitzt. Die Effizienzmarkthypothese verneint diese Aussagekraft nicht, sondern betrachtet sie als gewöhnliche und bereits eingepreiste Information: Liegt eine aussichtsreiche Chartformation vor haben die Marktteilnehmer die sich daraus ergebenden Hinweise bereits in ihren Transaktionen berücksichtigt.
Die Effizienzmarkthypothese unterstellt damit einen vollkommen unvorhersehbaren Kursverlauf: Der Kurs eines Zeitpunkts T ist demnach die Summe aus dem Kurs des Zeitpunkts T-1 und einer (je nach Modell normalverteilten oder nicht normalverteilten) Zufallsvariable.
In den Wirtschaftswissenschaften herrscht mittlerweile weitgehende Einigkeit darüber, dass es vollständige Informationseffizienz an den Kapitalmärkten nicht gibt, das die entwickelten Finanzmärkte aber zugleich ein erhebliches Maß an Effizienz an den Tag legen. Dies wurde durch die Einführung von Strafen für Insiderhandel, die Einführung der Ad-Hoc-Publzitätspflicht und nicht zuletzt die rasche Informationsverbreitung über das Internet erreicht.
Belege für Ineffizienz an den Kapitalmärkten
Die Entwicklungen an den Finanzmärkten belegen existierende Ineffizienzen bzw. Informationsasymmetrien durch bestimmte Ereignisse immer wieder:
- Wenn Insiderinformationen bereits eingepreist sind dürfte es nach der Veröffentlichung von wichtigen Informationen nicht zu starken Kursbewegungen kommen
- Wenn Insiderinformationen nicht gewinnbringend eingesetzt werden kann dürfte es vor wichtigen Veröffentlichungen nicht zu Kursbewegungen oder erhöhten Umsätzen ohne sonstige erkennbare Ursache kommen
- In effizienten Kapitalmärkten gäbe es keine „Kalendereffekte“ und keine Verzerrungen an Verfallstagen an den Terminbörsen
- Effiziente Märkte wären zu keinem Zeitpunkt durch Emotionen beeinflusst, was irrationale Crashs und Spekulationsblasen ausschließen müsste
Kapitalmarkttheorie in der Finanzkrise
Das noch junge 21. Jahrhundert hat den internationalen Finanzmärkten bereits jetzt Krisen in ungeahntem Ausmaß beschert. Kurs nach der Jahrtausendwende brach die „New Economy“ in sich zusammen. In den Jahren 2007 und 2008 folgte dann die größte Finanz- und Wirtschaftskrise seit den 1920er Jahren. Dieser schloss sich die Systemkrise der Euro-Währungsunion an. Konnte sich die Kapitalmarkttheorie in diesem turbulenten Umfeld bewähren?
Crash und Blasen sind nicht effizient
Die Kapitalmarkttheorie unterstellt Märkten einen gewissen Grad an Effizienz und impliziert damit auch ausschließlich rationale Entscheidungsmuster unter den Marktteilnehmern. Die Ereignisse seit der Jahrtausendwende belegen das Gegenteil: Innerhalb relativ kurzer Zeiträume kam es mehrfach zu extremen Übertreibungen nach oben oder nach unten. Im ersten Quartal des Jahres 2000 wurden an den Märkten Mondpreise für Unternehmen ohne Substanz und Geschäftsmodell gezahlt, nicht einmal drei Jahre später waren etablierte Industrieunternehmen aus der ersten Reihe weniger wert als die Summe ihres Inventars.
Eine wichtige Bedingung für effiziente Kapitalmärkte ist die Informationseffizienz. Diese wurde im Zuge der so genannten Subprime-Krise ad absurdum geführt. Banken hatten Anleihen emittiert, die mit einem Deckungsstock aus Immobilienkrediten besichert waren. Das ist an und für sich nichts Besonderes – der deutsche Pfandbrief funktioniert nach eben diesem Muster. In den Deckungsstöcken wurden allerdings Kredite mit sehr unterschiedlichen Ausfallrisiken platziert.
Die fatale Konsequenz ist bekannt: Über einen langen Zeitraum war an den Märkten nicht bekannt, welches Wertpapier mit welchem Risiko verbunden war. Das schließt Informationseffizienz aus. Die Finanzmärkte erfüllten in dieser Situation einen ganz wesentlichen Teil ihrer Aufgabe nicht: Die Marktteilnehmer verlangten extreme Risikozuschläge für die nicht genau bekannten Risiken. Die institutionelle Peripherie der Finanzmärkte – insbesondere Ratingagenturen – waren nicht in der Lage, an diesem Zustand etwas zu ändern.
Finanzmärkte reagieren „falsch“ auf makroökonomische Ungleichgewichte
Die Subprime-Krise wirft weitere Fragen auf. Eine ganz wesentliche Ursache der Krise sind makroökonomische Ungleichgewichte: Die US-Volkswirtschaft importierte über einen langen Zeitraum deutlich mehr als umgekehrt exportiert wurde. Die Leistungsbilanzdefizite wurden nicht zuletzt über die Blase auf dem US-Immobilienmarkt konsumiert. Ein effizientes Marktumfeld hätte über eine Abwertung des US-Dollar am Devisenmarkt diese Entwicklung zumindest eingeschränkt. Der Devisenmarkt hat in der Summe jedoch kaum reagiert.
Auch in der Eurozone kam zeigten sich die Marktmechanismen zum Teil als nicht effizient. Besonders deutlich war dies auf dem europäischen Geldmarkt sichtbar, auf dem sich Banken untereinander Liquidität für Zeiträume von einem Tag bis hin zu einem Jahr leihen. Der Geldmarkt der Eurozone brach im Jahr 2008 geradewegs zusammen und funktionierte auch im Jahr 2014 noch nicht wieder richtig: Banken vertrauten sich untereinander nicht und verweigerten Geldleihen bzw. verlangten dafür extreme Aufschläge auf die Zinssätze. Die EZB trat deshalb an die Stelle des Geldmarktes und versorgte Geschäftsbanken über diverse Programme mit billiger Liquidität. Zum Teil wurden dafür sogar die Anforderungen an die zu hinterlegenden Sicherheiten gelockert.
Kapitalmarkteffizienz und Zentralbanken
Die Ereignisse stellen die Funktion und Wirksamkeit von Finanzmärkten nicht grundsätzlich in Frage, weil die Märkte letztlich wieder zu effizienten Bewertungen zurückkehren können und dies in vielen Punkten auch der Fall war. Dennoch belegen die Krisen der letzten Jahre, dass Märkte auf bestimmte Rahmenbedingungen angewiesen sind – etwa bei der Abwicklung insolventer Banken.
Die Zentralbanken der Welt haben in den Krisenjahren mit beispiellosen Programmen versucht, die Märkte ebenso wie die Konjunktur zu stabilisieren. Möglicherweise haben EZB, Federal Reserve und Co. aber selbst zu den Krisen beigetragen. Die Zentralbanken haben den Märkten große Mengen billigen Geldes zur Verfügung gestellt und damit am Geld- und Anleihemarkt faktisch interveniert. Dies führte zusammen mit anderen Umständen vereinzelt sogar zu Anomalien wie z. B. negativen Zinssätzen für deutsche und schweizerische Anleihen.