Finanzprodukte und Social Media – die ESMA hat ein Auge drauf
Unzählige Posts auf Plattformen wie Facebook, Instagram oder X werben mit vermeintlich sicheren Finanzprodukten, die angeblich innerhalb kürzester Zeit zu großem Reichtum führen. Oft wird suggeriert, dass man nur investieren müsse, um schon bald das Geld nicht mehr zählen, sondern nur noch wiegen zu können. Solche Versprechungen sind in den meisten Fällen unseriös und verstoßen gegen geltende Regularien. Die Europäische Finanzaufsicht, die European Securities and Markets Authority (ESMA), beobachtet diese Entwicklungen kritisch. Besonders halbgare oder unzureichend gekennzeichnete Angebote stehen im Fokus der Aufsicht, da sie Anleger täuschen und erhebliche Risiken bergen können.
Das Wichtigste in Kürze:
- Europäische Finanzaufsicht überwacht Finanzanlage-Empfehlungen auf Social Media
- Viele Posts lassen jede Konformität mit den Vorgaben vermissen
- MRA-Regularien machen klare Vorgaben, welche Informationen enthalten sein müssen
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Inhaltsverzeichnis
Es fällt immer wieder auf, dass die einen oder anderen User erst einmal lostippen, bevor sie sich überlegen, was sie so zu Urlaub, Arbeit oder eben Finanzen von sich geben. Im Rhein-Main-Gebiet kennt man dieses Losplappern unter dem Begriff “Mer sächt ja nix, mer redd ja nur.” Im Zusammenhang mit “Finanztipps” im Internet kann dieses “Schläächtbabbeln” allerdings ganz schnell zu einem Tatbestand werden.
“Leute, kauft die XY-Aktie, in spätestens vier Wochen geht die durch die Decke.”
Und da haben wir sie schon – die Empfehlung, die einen absoluten Verstoß gegen alle Regeln der ESMA enthält, aber jeden Tag zig-fach in den Social Media zu finden ist.
Wir haben daher einmal die unterschiedlichen, von der ESMA aufgeführten Tatbestände, aufgedröselt und verständlich gemacht.
Der heiße Tipp – kommt er vom Profi oder vom Laien?
Betreits bei der Bewertung eines Finanzposts in den Social Media unterscheidet die ESMA, wer der Verfasser ist. Grundlage für die Bewertung eines Posts sind die Market Abuse Regulations (MAR), deren Ziel es ist, den Kapitalmarkt transpartent und sauber zu gestalten. Die MAR unterscheiden zwischen den generellen Anforderungen und den speziellen Anforderungen. Die ESMA teilt die potenziellen Anbieter in zwei Gruppen:
- Professionals: Unabhängigie Analysten und Finanzdienstleister
- Non-Professionals: Experts, Menschen, die Ahnung vom Thema haben, und Non-Experts, blutige Laien.
Die generellen Anforderungen greifen natürlich für die Professionals als auch für “Experts” “Non-Experts”. Allerdings sind die “Non-Experts” von den speziellen Anforderungen ausgenommen.
Was verbirgt sich hinter den generellen Anforderungen und den speziellen Anforderungen im Rahmen einer Anlageempfehlung? Die generellen Anforderungen bei einer Kaufempfehlung beinhalten:
- die eindeutige Identifikation des Anbieters des empfohlenen Produktes sowie die Namen aller mit der Empfehlung befassten und involvierten Personen.
- Datum und Uhrzeit der Empfehlungsabgabe.
- Objektive Präsentation ohne Interpretationen, Einschätzungen oder Meinungen.
- Bereitstellung aller vorhandenen Informationen und klarer Hinweis darauf, dass es zwischen Empfehlungsgeber und Produkt keinen Interessenskonflikt gibt.
Die speziellen Anforderungen müssen folgende Punkte berücksichtigen:
- Eine Zusammenfassung der Evaluationsmethode, mit der das Finanzinstrument analysiert wurde.
- Die Länge der empfohlenen Haltedauer und der Risikohinweis auf einen möglichen Verlust.
- Wie oft und wann der Empfehlungsgeber seine Analyse überarbeitet und veröffentlicht.
- Wenn die Empfehlung im Nachhinein geändert wurde.
- Wenn der Empfehlungsgeber mehr als 0,5 Prozent des Finanzinstrumentes in einer Long- oder Short-Position hält.
Alleine die auch für Non-Experts, Laien, gültigen Vorgaben sind vernichtend für 99 Prozent aller Finanztipps in den Social Media.
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Die Top sechs Tatbestände
Die ESMA war so freundlich, anhand von sechs Beispielen aufzuzeigen, wann welcher Verstoß gegen die oben genannten Regeln vorliegt. Ganz wichtig ist, dass hier im Verborgenen auch das Risiko der Marktmanipulation lauert, ein Tatbestand, dem MAR ganz besonders entgegen wirken soll. Schauen wir uns einmal die Beispiel für Verstöße gegen MAR an.
Beispiel Nr. 1: Die indirekte Empfehlung
“Hi in die Runde. Ich denke, heute ist ein guter Zeitpunkt, bei XY einzusteigen und noch ein bisschen Z beizumischen. Mal schauen, wie es läuft.”
Der Empfehlungsgeber suggeriert hier, dass auch andere seinem Beispiel folgen sollten und empfiehlt unausgesprochen, das Portfolio zu diversifizieren. Dazu äußert er eine Meinung hinsichtlich der Kursentwicklung. Öffentlich gepostet erfüllt dies den Tatbestand der indirekten Empfehlung mit reichlich Defiziten bezüglich der Anforderungen. Genau genommen ein Verstoß gegen alle vier Punkte der allgemeinen Anforderungen.
Beispiel Nr. 2: Die direkte Empfehlung
Machen wir den Test:
Der Post bezieht sich direkt auf ein Produkt. Er suggeriert eine garantierte Rendite auf zwei Stellen hinter dem Komma. Es ist nicht ausreichend, bezüglich der Informationen einen Link einzubauen, da dieser ja nicht zwingend funktionieren muss. “Bad gateway” oder “404” kommen als Fehlermeldung durchaus vor. Die Informationen müssen direkt sichtbar sein. Wie sagt das italienische Komikerduo “Lionfield” in einem solchen Moment? “not approved”.
Beispiel Nr. 3: Allgemeine Empfehlung von “Experten”
Es gibt so viele Experten im Internet, zu jedem Thema. Angenommen, jemand postet einmal in der Woche ein selbstgemachtes Video, in dem er oder sie erläutert, weshalb er welches Finanzinstrument kauft oder verkauft, suggeriert schon ein bisschen, dass da jemand sitzt, der Ahnung hat. Wenn dann noch 100.000 (gefakte) Follower mit zuschauen, kann es ja eigentlich nur passen. Den Hinweis, dass der Empfehlungsgeber jahrelange Erfahrung und einen entsprechenden Hochschulabschluss hat, lässt sich nur schwer nachprüfen.
Es bleibt zu hoffen, dass der Creator eines solchen Profils darauf achtet, dass er auch die speziellen Anforderungen der MRA bei seinen Empfehlungen berücksichtigt.
Hier haben wir “Thomas der Sparkojote”
Aufgrund der Aufmachung und des Begleittextes können wir unterstellen, dass es sich bei Thomas um einen Experten handelt.
Beispiel Nr. 4: Direkte Empfehlung von “Experten”
Die “etfinvestoren”, leider ohne Homepage und Impressumsangaben, stellen hier eine direkte Kaufempfehlung vor:
Da ist zwar unten links so etwas wie ein Name angedeutet, ob das allerdings Punkt eins der allgemeinen Vorgaben,
“die eindeutige Identifikation des Anbieters des empfohlenen Produktes sowie die Namen aller mit der Empfehlung befassten und involvierten Personen.”,
entspricht, sollte die ESMA selbst bewerten. Eine eindeutige Namensangabe ist das jedenfalls nicht.
Darüber hinaus fehlen Angaben zur Haltedauer, wann die Daten neu bewertet werden, kein Hinweis darauf, auf welcher Grundlage bewertet wurde – das ist Dilettantismus pur. Die Mängelliste ist nur angerissen und nicht vollständig.
Beispiel Nr. 5: Empfehlung eines nicht-professionellen “Non-Experts”
Hier finden sich Beispiele eher auf Instagramm, wenn unter dem Pseudonym “CashCow35” die Aussage getroffen wird “Mach’s wie ich, kauf XY. Heute erstmal 20k investiert, morgen wird cash gemacht.”
Wer immer sich hinter solchen Pseudonymen verbirgt und was er mit solchen Aussagen erreichen will, bleibt fraglich. Auch in einem solchen Beispiel wird gegen alle Vorgaben der ESMA verstoßen. Wir hatten uns für eine fiktive deutschsprachige Variante entschieden, hier ein konkretes englisches Beispiel:
Beispiel Nr. 6: Marktmanipulation und Insiderhandel
Kommen wir zum sechsten und letzten Beispiel unserer kleinen “wie verstoße ich auf Social Media gegen die Finanzmarktordnung”-Reise und beenden diese nicht mit fehlerhaften oder amateurhaften Kaufempfehlungen, sondern mit klassischer, aber unbewusster, Marktmanipulation.
Angenommen, ein sogenannter Experte, durchaus mit nachweisbaren Investmenterfolgen, produziert zwei Mal in der Woche für seinen Blog einen Videobeitrag. Gegenstand sind Marktanalysen und Kaufempfehlungen. Ausstrahlungszeitpunkt ist Dienstag und Donnerstag um zehn Uhr morgens.
An einem schönen Dienstagmorgen trifft er morgens um acht seinen Nachbarn. Voller Tatendrang erzählt er ihm, dass er eine total unterbewertete Aktie, die XYZ, gefunden hat, die das Zeug zum Shootingstar mitbringt. Ein vom Unternehmen angemeldetes Patent würde morgen bestätigt werden. Er ist sich sicher, dass der Preis massiv anziehen wird und deswegen widmet er sein heutiges Video dieser Aktie.
Sein Nachbar nimmt es zur Kenntnis, geht nach Hause und ordert für 50 Tausend Euro Aktien. Nach der Ausstrahlung des Videos zieht der Kurs tatsächlich in den nächsten 48 Stunden überdurchschnittlich an.
Was war rechtlich gesehen passiert? Unser Videoexperte hat eine Information, welche dem Gros der Anleger nicht bekannt war, vor der Veröffentlichung an einen Dritten weitergegeben. Dieser hat von dem inoffiziellen Informationsvorsprung profitiert. Wer Böses will, kann an dieser Stelle Insiderhandel unterstellen.
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Die rechtlichen Folgen eines RMA-Verstoßes
Was passiert eigentlich, wenn die Finanzaufsicht feststellt, dass gegen die RMA-Regeln verstoßen wurde? Bei der Ahnung wird zwischen Privatpersonen und juristischen Personen unterschieden.
Privatpersonen:
- Allgemeine Verstöße: Bis zu 500.000 Euro Geldstrafe
- Insiderhandel / Marktmanipulation: Bis zu fünf Millionen Euro Geldstrafe
Juristische Personen:
- Allgemeine Verstöße: Bis zu einer Million Euro Geldstrafe
- Insiderhandel / Marktmanipulation: Bis zu 15 Millionen Euro Geldstrafe
Fazit
Auch wenn Social Media dazu geschaffen wurden, den Rest der Welt an seinem Leben teilhaben zu lassen, sei es die Feststellung “draußen schneit’s” oder der Tipp auf ein todsicheres Finanzinstrument, ist Schweigen manchmal die bessere Alternative.
Wer posten möchte, sollte peinlich genau darauf achten, dass er sich an die Regularien hält. Wer interessante Informationen findet, ist gut beraten, zu prüfen, ob der Informationsgeber ESMA-konform informiert. Wenn es daran schon hapert, wie sieht es dann erst mit den Produkten aus?
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Weiterführende Links und Quellen