Bundesanleihen: Wie der Staat mit dem Schuldenmachen Geld verdient
Gerade in Zeiten, in denen Kapitalanleger ein hohes Interesse an sicheren Anlagehäfen haben, spielen Bundesanleihen eine zentrale Rolle. Jetzt, wo der Brexit beschlossene Sache ist, Investments im Aktienmarkt nicht pauschal als „sicher“ bezeichnet werden können und auch viele Währungen alles andere als stabil sind, drängen sich die Bundesanleihen geradezu auf. Über die Sicherheit der staatlichen Schuldverschreibungen braucht man sich prinzipiell nämlich keine Gedanken zu machen. Schließlich dient im Fall der Fälle das gesamte Steuervermögen der Bundesrepublik Deutschland uneingeschränkt als Sicherheit. Das Rating von Deutschland (zurzeit AAA) ist ebenfalls ein Beleg für die Sicherheit dieser Anlageform. Doch nicht nur kleine Anleger, sondern auch große Kapitalanleger und sogar die Europäische Zentralbank (EZB) haben diese Vorzüge in Hinblick auf die Sicherheit für sich entdeckt. Das Ergebnis: Unterm Strich machen die 10-Jahres-Anleihen des Bundes aktuell Minus – ergo verdient der deutsche Staat Geld damit, sich zu verschulden. Ein ziemlich realitätsferner Widerspruch, oder? Warum die Geldanlage in Bundesanleihen trotzdem keine allzu schlechte Idee ist.
Bundesanleihen haben eine zentrale Stellung am deutschen Kapitalmarkt. Kurz gesagt handelt es sich hierbei um börsengehandelte Schuldverschreibungen, die von der Bundesrepublik Deutschland emittiert sind. Die Laufzeit der Bundesanleihen (oder auch Bunds genannt) beträgt aktuell 10 bzw. 30 Jahre. Die Abwicklung der Transaktionen in Bezug auf die Bundesanleihen wird von der Bundesbank durchgeführt. Die Gelder, die durch die Bundesanleihen eingenommen werden, stehen dem Bund zur Finanzierung seines Haushaltes zur Verfügung. Die Zahlung von Zinsen erfolgt dabei jährlich. Außerdem besteht die Möglichkeit, Bundesanleihen bei Bedarf beleihen zu können. Während die Ausgabepreise variabel sind, erfolgt der Rückkauf stets auf Grundlage des Nennwertes. Aus dieser Konstellation kann sich in der Praxis ergeben, dass der Anleger zu einem höheren Preis einkauft, als er letztendlich im Zuge der Rückzahlung erhält. Und eben das ist bei den Bundesanleihen mit der Laufzeit von 10 Jahren jetzt der Fall.
Inhaltsverzeichnis
- Zerrüttete europäische Finanzmärkte verunsichern Anleger
- Sicherer Anlagehafen: Der Erfolgsgarant der Bundesanleihen
- Sicherheit ist teuer: Anleger nehmen sogar Minuszinsen in Kauf
- EZB-Mitschuld: Erklärungsversuche
- Deutschland wird fürs Schuldenmachen bezahlt
- Versicherer und Pensionskassen weitere „Opfer“ des Zinsverfalls
- Zukunftsperspektiven
- Fazit
Zerrüttete europäische Finanzmärkte verunsichern Anleger
Die Stabilität der Finanzmärkte steht in der Europäischen Union vielerorts auf wackeligen Beinen. Ob Griechenland, Italien oder Spanien: Wirklich sicher kann sich der Anleger fast in keinem Land mehr wissen. Immer mehr Anleger sind deshalb bereit Abstriche bei der Attraktivität der Rendite zu machen und haben oftmals nur noch eine Prämisse: Sicherheit. Und bereits an dieser Stelle fallen zahlreiche (verlockende) Anlageinstrumente raus. Ob Immobilienfonds oder VW-Aktie: Wirkliche Sicherheit kann dem Anleger hier nicht mehr geboten werden. Die scheinbare Universallösung für verunsicherte Anleger auf der Suche nach einem Höchstmaß an Sicherheit: Gold. Doch auch hier ist unklar, inwieweit sich im Zuge des Gold-Hypes bereits eine Blase rund um das begehrte Edelmetall gebildet hat.
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Das Ausschlussverfahren lässt sich beliebig fortfahren. Zugegebenermaßen ist ein Mindestmaß an Pessimismus notwendig, um rigoros jedes Investment auszuschließen, das auch nur das geringste Risiko birgt. Dabei liegt es doch in der Natur der Sache, dass der Anleger für seinen Zinsertrag ein gewisses Risiko eingehen muss. Je höher die Gewinnerwartung, desto höher das in Kauf zu nehmende Risiko – auch klar. Es scheint allerdings, als würde dem Faktor Sicherheit angesichts der vergangenen Entwicklungen am Finanzmarkt eine immer größer werdende Bedeutung zugemessen werden. Durch den kürzlich entschiedenen Brexit, dem Austritt Großbritanniens aus der EU, wurde die Verunsicherung der Anleger weiter bekräftigt. Doch was bleibt dem feigen rational denkenden Kapitalanleger für eine Option, sein Geld sicher zu verstauen?
Sicherer Anlagehafen: Der Erfolgsgarant der Bundesanleihen
Sicherheit ist zweifellos eine unstrittige Eigenschaft der deutschen Bundesanleihen. Unabhängig von der Laufzeit kann sich Klein- wie Großanleger darauf verlassen, dass sein Kapital in sicheren Tüchern ist. Warum das so ist? In erster Linie ist die Sicherheit der Bundesanleihen dadurch begründet, dass hinter ihnen der deutsche Staat steht – ehe der Anleger also auf sein eingesetztes Kapital verzichten müsste, wäre also ein Bankrott der Bundesrepublik Deutschland notwendig. Und in so einem (sehr unrealistischen) Fall hätten die Anleger freilich viel größere Probleme an anderer Stelle – betroffen wären dabei vermutlich Geldgeber nahezu aller Anlageformen.
Garant für den hohen Sicherheitsstandard der Papiere ist nicht zuletzt die Bestnote der Bundesrepublik Deutschland im Länderrating. Durchgängig erhält Deutschland von den relevanten Ratingagenturen die Bestnote AAA („Triple A“). Die Ironie, die Sicherheit am Länderrating festzumachen, scheint wie auf dem Silbertablett serviert zu sein. So hat schließlich gerade die jüngste Vergangenheit gezeigt, dass es eben oft nicht richtig ist, sich auf eben diese Ratingagenturen zu verlassen. Im Falle der Bundesrepublik Deutschland allerdings gibt es überhaupt keine Zweifel, am makellosen Rating in irgendeiner Weise zu zweifeln. Darüber hinaus steht im Fall der Fälle das gesamte deutsche Steuervermögen als Sicherheit zur Verfügung. Und das ist eben mehr als nur ein Indiz, sondern ein nahezu sicherer Beweis für die Sicherheit dieser börsengehandelten Schuldverschreibungen. Denn nicht umsonst zählen Bundesanleihen zu den sogenannten mündelsicheren Wertpapieren. Das heißt, dass Wertverluste praktisch ausgeschlossen sind.
S&P |
Moody’s | Fitch | DBRS | |
---|---|---|---|---|
Stand: 22.07.2016, Angaben ohne Gewähr | ||||
Deutschland | AAA | Aaa | AAA | AAA |
Großbritannien | AA | Aa1 | AA | AAA |
Frankreich | AA | Aa2 | AA | AAA |
Italien | BBB- | Baa2 | BBB+ | A (low) |
Griechenland | B- | Caa3 | CCC | CCC |
Sicherheit ist teuer: Anleger nehmen sogar Minuszinsen in Kauf
Was bei zweijährigen und fünfjährigen Bundesanleihen schon seit einiger Zeit der Fall ist, ist nun auch bei den hoch angesehenen zehnjährigen Bunds bittere Realität: Mit Abschluss Verlust. Ausgegeben wurde die neue Nullkupon-Anleihe (Gesamtvolumen: 5 Milliarden Euro) zu einem Kurs von 100,48 Prozent. Das „Problem“: Nach Ablauf der zehn Jahre erhält der Anleger „nur“ den Wert von 100 Prozent ausgezahlt. Dadurch ergibt sich ein jährlicher Verlust von 0,05 Prozent bei Anlegern, die bis zum Ende durchhalten. Natürlich ist der Verlust, der sich insgesamt deutlich unter einem Prozent beschränkt, grundsätzlich verkraftbar. Vielmehr scheint es verständlicherweise um das Prinzip zu gehen: Wer (langfristig) Geld anlegt, macht ein Minusgeschäft. Zugegebenermaßen eine sehr ernüchternde Entwicklung. Doch aufgrund der Tatsache, dass es hinsichtlich der Sicherheit keine Bedenken gibt und die Bundesanleihe deshalb eine enorm kalkulierbare und verlässliche Anlageform ist, gibt es auch jetzt noch genügend Anleger, die sich für die Bundesanleihe interessieren.
Hinzu kommt, dass das Kapital, was in Bundesanleihen steckt vergleichsweise äußerst liquide ist. Innerhalb von kurzer Zeit kann man die Papiere unkompliziert und mit niedrigen Gebühren veräußern und erreicht dadurch ein hohes Maß an Flexibilität. Des Weiteren besteht die Möglichkeit, Bundesanleihen beleihen zu können.
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Die 10-Jahres-Bundesanleihen gelten übrigens als Gradmesser für langfristige Kapitalmarktzinsen. Außerdem sind Bundesanleihen dieser Art die Schuldtitel innerhalb der Eurozone, die am meisten verbreitet sind.
EZB-Mitschuld: Erklärungsversuche
Die Frage, warum die Zinsen für ein wirtschaftlich so stabiles und gut geranktes Land wie Deutschland bei den Bundesanleihen negativ ausfallen, ist vollkommen berechtigt. Jedoch ist die Antwort genauso unspektakulär wie einleuchtend: Im Kampf gegen die Inflation kauft die Europäische Zentralbank (EZB) bereits seit längerer Zeit Staatsanleihen im großen Stil auf. In weiser Voraussicht, dass 2-Jahres- und 5-Jahres-Anleihen schon seit einiger Zeit ein Minusgeschäft sind, stürzten sich die Währungshüter in jüngerer Vergangenheit auch mehr und mehr auf die Bundesanleihen mit längerer Laufzeit. Mit spürbaren Auswirkungen auf die Rendite.
Ob man hier allerdings von „Schuld“ sprechen sollte, kann kritisch betrachtet werden kann. Die EZB ist sicher nicht allein schuld daran, dass die Zinsen für die Bundesanleihen gegenwärtig unter den Nullpunkt fallen.
Bereits seit März 2015 ist die EZB dabei im Euroraum unterwegs und langt kräftig zu. Besonders abgesehen scheinen es die Währungshüter dabei auf die sicheren Staatsanleihen zu haben: Das Kaufprogramm wurde erst kürzlich von 60 auf 80 Milliarden Euro pro Monat (!) erhöht. Enden soll das Programm dabei erst frühestens im März 2017.
Grundsätzlich sollte dem minimalen Zinsminus, welches die Anleger im Laufe der zehn Jahre erfahren, keine zu große Beachtung geschenkt werden. Schließlich liegt das Minus für den gesamten Zeitraum zusammengefasst bei unter einem halben Prozent. Passender wäre stattdessen von einem Nullzins für Bundesanleihen zu sprechen. Aber ist der clevere Anleger da nicht besser beraten, wenn er sein Geld unter dem Kopfkissen hortet? Wohl eher nicht. Schließlich ist die Sicherheit in diesem Fall durch Faktoren wie Diebstahl, Feuer oder anderweitigen Verlust in einem deutlich geringeren Maße gegeben.
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Deutschland wird fürs Schuldenmachen bezahlt
Skurril, aber aktuell wahr: Die Bundesrepublik Deutschland verdient mit ihren Bundesanleihen, also mit dem Schuldenmachen, Geld. Durch den Minuszins werden derzeit schätzungsweise etwa zwei Millionen Euro pro Jahr erwirtschaftet. Im Klartext: Deutschland bekommt jährlich einen Millionenbetrag dafür, dass Schulden aufgenommen werden. Bekanntermaßen hat die Medaille nämlich zwei Seiten: Wenn Kunden der Bundesanleihen durch Minuszinsen Geld verlieren, erscheint auf dem Konto vom Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) ein dickes Plus. Und genau das ist auch der Grund, warum der deutsche Staat gegen die negative Zinsentwicklung grundsätzlich nichts auszusetzen hat: Er verdient Geld daran.
Gut die Hälfte der fast 1,1 Billionen Euro Schulden, die die Bundesrepublik Deutschland gegenwärtig hat, besteht aus den 10-Jahres-Bundesanleihen. Prinzipiell nimmt der Staat dabei zum aktuellen Zeitpunkt keine neuen Schulden auf, sondern schichtet alte Verbindlichkeiten lediglich um – damit seinerseits teure Zinsen aus alten Vereinbarungen gespart werden können.
Die aktuelle Entwicklung am Markt zeigt, dass dem Erfolg der Bundesanleihen selbst die Minuszinsen nicht im Wege stehen. So erhielt die deutsche Finanzagentur, die die Verwaltung der deutschen Schulden übernimmt, neue Kaufanträge in Höhe von 4,78 Milliarden Euro. Dieser Betrag liegt zwar leicht unterhalb der verfügbaren Menge, jedoch angesichts der negativen Rendite abstrakter Weise immer noch auf einem überaus hohen Niveau. Nicht nur die Deutschen schätzen den sicheren Anlagehafen, der durch die Bundesanleihe garantiert wird.
Versicherer und Pensionskassen weitere „Opfer“ des Zinsverfalls
Nicht nur der „normale“ Anleger ist durch den Minuszins der Bundesanleihen gestraft. Auch an ganz anderer Stelle sind die Klagen laut – so zum Beispiel bei den Pensionskassen. Sie haben keine andere Wahl, als in Bundesanleihen zu investieren, da sie gesetzlich dazu verpflichtet sind. Das Gesetz zwingt die Pensionskassen also, negative Zinsen zu akzeptieren. Die Konsequenz: Garantiezins für Renten- und Lebensversicherungen müssen gesenkt werden. Ähnliche Problematiken eröffnen sich für Versicherer und auch für Mischfonds. Es zeigt sich: Die Verzinsung der Bundesanleihen hat weitreichende Auswirkungen auf den nationalen und teilweise auch auf den internationalen Finanzmarkt.
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Zukunftsperspektiven
Die Frage, wie sich das Zinsniveau bei den Bundesanleihen in naher und ferner Zukunft entwickeln wird, ist ohne Zweifel spannend. Vermutlich müssen Anleger allerdings Geduld mitbringen, wenn sie die Zeit bis zur positiven Zinswende aussitzen wollen. Die nächste zehnjährige Bundesanleihe wird es nämlich aller Voraussicht nach wohl erst im Januar 2017 geben. Das bisherige Papier mit Nullzins wird bis zu diesem Zeitpunkt wohl nur noch aufgestockt – auf dann 25 Milliarden Euro.
Es sollte allerdings zum wiederholten Male betont werden, dass der „Minuszins“ eher einen „Nullzins“ darstellt. Der Verlust ist verkraftbar: Nicht einmal 0,5 Prozent in einem Zeitraum von zehn Jahren. Mit einem deutlich größeren Minus ist auch in den kommenden Jahren zumindest zum aktuellen Zeitpunkt nicht zu rechnen. Die Bundesanleihen werden sich vermutlich im Nullbereich einpendeln und dem risikoscheuen Anleger wohl nach wie vor eine gute Option bieten, sicher (aber zinslos) zu investieren.
Fazit
Die goldenen Zeiten der Bundesanleihen scheinen zweifellos vorerst vorbei zu sein. Hohe Zinserwartungen darf man an dieses Anlageinstrument zumindest in absehbarer Zeit nicht stellen. Doch das sollte angesichts der instabilen Finanzmärkte auch gar nicht das primäre Ziel sein. Viel entscheidender ist doch, dass das Kapital sicher parkt und sich der Anleger keine Gedanken darüber machen braucht, ob zukünftige Entwicklungen an den Finanzmärkten eventuell dazu führen, dass deutlich höhere Einbußen bei anderen Anlageformen hingenommen werden müssen. Gerade der nun anstehende Brexit könnte die Unsicherheit und die Instabilität der Kapitalmärkte nur weiter befeuern. Deshalb stellen Bundesanleihen zum momentanen Zeitpunkt einen guten Kompromiss zwischen sicheren Anlagehafen und weitestgehender Kapitalerhaltung. Offensichtlich ungeeignet erscheinen die Bunds dagegen für Anleger mit Risikobereitschaft und Zinserwartung.
Christian Finkenbrink für Brokervergleich.de
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Quellen: