Insolvenzen 2024: Ende oder Neustart? – Teil 1
Der Blick auf die Statistik ist ernüchternd: Laut dem Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) lag die Zahl der Insolvenzen von Personen- und Kapitalgesellschaften im Oktober 2024 bei 1.530 – der höchste Wert in einem Oktober seit 20 Jahren. Zudem liegt die Anzahl rund 17 Prozent über dem Vormonat und 48 Prozent über dem Vorjahr (siehe Grafik). Was den sprunghaften Anstieg verursachte? Steffen Müller, Leiter der Insolvenzforschung am IWH, führte die hohen Zahlen u. a. auf die anhaltende konjunkturelle Schwächephase sowie gestiegene Kosten bei Löhnen und Energie zurück. Zudem gebe es Nachholeffekte aus der Corona-Pandemie une eine verzögerte Anpassung der Wirtschaft an neue strukturelle Rahmenbedingungen. Kurzum: Die Gemengelage erzeugt einen Strudel, der sich negativ auf viele Unternehmen auswirkt.
Zwar hat das Jahr 2024 noch ein paar Wochen, trotzdem erscheint es als interessant, bereits jetzt einen Blick auf die bemerkenswertesten Pleiten des Jahres zu werfen. Außerdem schauen wir darauf, was aus den Unternehmen geworden ist – nicht jede Insolvenz muss schließlich das komplette Aus bedeuten. Wir starten mit dem 1. Halbjahr 2024.
Das Wichtigste im Überblick:
- Insolvenzen-Übersicht für das 1. Halbjahr 2024
- Von Galeria über FTI bis Esprit – welche Unternehmen und Marken haben eine Zukunft und welche nicht.
- Statistiken: Insolvenztrend 2024 (Stand: November 2024)
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Inhaltsverzeichnis
IWH-Insolvenztrend 2024 auf einen Blick
Insolvenzen 2024 – die wichtigsten Pleiten des Jahres
Januar 2024: Galeria
Wir beginnen mit einem Dauerbrenner, was Pleiten, Pech und Pannen angeht: Galeria. Im Januar 2024 startete bereits das dritte Insolvenzverfahren seit 2020. Die Probleme? Immer die gleichen: Umsatzrückgänge, hohe Kosten (vor allem Mieten und Personal), Misswirtschaft und ein wohl nicht mehr ganz zeitgemäßes Geschäftsmodell. Im Gegensatz zu den zwei ersten Insolvenzen gab es bei dieser dritten Pleite allerdings kein Schutzschirmverfahren, sondern ein Regelinsolvenzverfahren. Insofern blieb die Geschäftsführung etwas im Hintergrund. Immerhin: Das Insolvenzverfahren wurde im August 2024 beendet und ein Neustart gewagt. Der neue Besitzer ist ein Konsortium, angeführt von Bernd Beetz, einem Unternehmer aus Mannheim und dem US-Investor Richard Baker. Die Gläubiger hatten dem Plan zur Sanierung bereits im Mai 2024 zugestimmt. 4.600 Gläubiger meldeten zwischenzeitlich Forderungen in Höhe von knapp 900 Millionen Euro an. Die Anzahl der Filialen fiel auf 83 (Stand: September 2024, 2020 waren es noch 171) und der Konzern verabschiedete sich von den Namen Kaufhof und Karstadt. Rund 12.000 Arbeitnehmer sind aktuell damit „beschäftigt“, das Weihnachtsgeschäft zum Erfolg zu führen. Für Anleger ist Galeria indes nicht mehr relevant.
Februar 2024: Süßes und Naturkosmetik
Im Frühjahr des Jahres gab es namentlich zwei Insolvenzen, die bekanntere Marken betrafen: Die Naturkosmetik-Kette The Body Shop aus Großbritannien sowie die Süßwarenhändler Arko, Hussel und J. Eilles meldeten ihre Zahlungsunfähigkeit an. Letztere wurden in großen Teilen von Viba sweets übernommen. The Body Shop gehört mittlerweile einem Konsortium der Private-Equity-Gruppe Auréa Group und wird in Deutschland (nach Schließung diverser Läden) als Franchise mit 21 Filialen betrieben.
März 2024: Baubranche im Umbruch
Der März 2024 zeichnete sich durch eine Vielzahl an Insolvenzen aus, von denen einige auch bekanntere Unternehmen trafen. Eine der Pleiten, die besondere Beachtung verdienten: Helma Eigenheimbau. Der (bisher) börsennotierte Baukonzern, spezialisiert auf Einfamilienhäuser und Full-Service, schlitterte aus einer geplanten Sanierung in die Insolvenz. Hier, wie in der übrigen Baubranche, kamen hohe Zinsen und Kostensteigerungen zur Unzeit. Zudem gab es wohl bei Helma Schadenersatzforderungen, systemische Baumängel und Ermittlungen wegen eines Betrugsverdachts. Wer sich nun wundert, wohin die Reise geht: Ein immenser Teil des Konzerns wurde an die Capella Firmengruppe aus Berlin verkauft – pünktlich zum 1. November 2024. Das gilt für die Helma Eigenheimbau AG. Die Aktie des Unternehmens lag zuletzt noch bei ca. 0,09 Euro, was ein Minus von ca. 97 Prozent innerhalb eines Jahres bedeutet. Das Papier geht am 23. Januar von der Börse.
Ebenfalls ungemütlich wurde es im späten Frühjahr für den Matratzenhersteller Breckle aus Northeim in Südniedersachsen. Das Familienunternehmen produzierte hier täglich bis zu 3.000 Matratzen sowie Lattenroste und Boxspring-Betten. Finanziell sah es aber zuletzt wohl eher schlecht aus (was die Beteiligten auf einen Investoren und ein fehlerhaftes ERP-System zurückführten) und schließlich ging es zum Amtsgericht Göttingen. Nach einer Phase der Ungewissheit und einem Versuch des Verkaufs an einen Investor aus Osteuropa war dann im Sommer nach 92 Jahren endgültig Schluss. Ende Juli wurde den 300 Mitarbeitern gekündigt. Allerdings: Laut Medienberichten wird auf dem Grundstück jetzt wieder produziert – Matratzen übrigens.
Zunächst eine weitere schlechte Nachricht: Hoeller Electrolyzer, Spezialist für Elektrolyse-Systeme zur Wasserstoffherstellung, hinter dem u. a. Rolls-Royce als Investor steckte, meldete beim Amtsgericht Schwerin Insolvenz an. Pleite aufgrund von inneren Konflikten – das lässt sich aus einer Mitteilung von Rolls-Royce herauslesen, die Anfang des Jahres getätigt wurde. Im September 2024 dann die gute Nachricht: Ein Käufer wurde gefunden, nämlich die 2greenPlanet GmbH, ein Joint Venture der BURO GmbH aus Winden / Freiburg und der TMI Technology Group aus Ankara.
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April und Mai 2024: Mode und Gebrauchtwagen
Bleiben wir bei bekannten Marken, fällt zum Beginn der wärmeren Jahreszeit insbesondere die Pleite von Esprit auf. Der Modekonzern, der bereits 2020 in Schieflage geraten war, steckte erneut mit beiden Beinen in der Krise und im Mai 2024 war dann Schluss. Sinkende Umsätze, jede Menge Führungswechsel und keine Strategie, um nachhaltig schwarze Zahlen zu schreiben. Da passte nichts mehr. Betroffen war primär die Esprit Europe GmbH und damit ca. 1.500 Mitarbeiter. Bis Ende 2024 sollten alle Filialen hierzulande das Licht ausmachen, aber das verschiebt sich etwas nach hinten. 30 der 56 Geschäfte schließen erst im Januar 2025, da noch Ware vorhanden ist. Ein bisschen was wird aber auch danach erhalten bleiben, da u. a. Deichmann die Schuhmarkenrechte an Esprit erworben hat. Die Textilmarkenrechte gingen an die Theia Group of Companies. Für Anleger: Die Esprit Aktie (WKN A0ML39) ist praktisch nur noch im niedrigen 1-Cent-Bereich angesiedelt.
Überdies auf der Liste der eher überraschenden Insolvenzen landete die Instamotion Retail GmbH, einer der größten Anbieter von Gebrauchtwagen. Über Instamotion.com waren (und sind) tausende KFZs im Angebot – hier werden Autos online gekauft, finanziert und geliefert. Ende Mai trudelte indes ein Insolvenzantrag beim Amtsgericht München ein. Irgendwo zwischen dem erwarteten Wachstum und den finanziellen Notwendigkeiten war der Motor der digitalen Plattform ins Stottern geraten. Seit Juli 2024 steht aber fest: Es geht weiter mit der Überholspur, da die tschechische Gebrauchtwagenplattform Carvago (eine Marke der EAG Group) das Unternehmen übernahm.
Juni 2024: Nichts mit “ab in den Urlaub”
Für viele war es die schmerzlichste Pleite des Jahres: FTI, Europas drittgrößter Reisekonzern war insolvent. Für tausende Urlauber bedeutete das kurz vor dem Sommerurlaub: Die Reise findet nicht statt. Das Geld musste über den Deutschen Reisesicherungsfonds (DRSF) zurückfließen (zumindest für Pauschalreisende, was aber immer noch nicht überall erfolgt ist – Ziel: Weihnachten 2024). Weshalb FTI abschmierte: Weil es dem US-Investor Certares nicht gelang, rechtzeitig frisches Kapital aufzutreiben. Entsprechend entstand, nach einigem hin und her, eine Deckungslücke in zweistelligem Millionenbereich. Gerettet wurde FTI nicht, weil der Markt sich vergleichsweise schnell um die Reste kümmert. Ein Haifischbecken.
Kommen wir zurück in die Fußgängerzonen und Malls in Deutschland: Fast überall war das Weltbild-Schild bekannt. Weltbild, schon häufiger aufgrund von schwieriger Finanzlage (und inhaltlichen Querelen) aufgefallen, steckte 2024 wieder in der Pleitefalle. Diesmal aber ohne Happy End. Nun ja: Fast. Buecher.de, ein Teil der Weltbild-Gruppe wurde von Thalia übernommen. In den Filialen gingen die letzten Titel indes bereits im Herbst über den Tisch. Investoren fanden sich nicht.
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Im 2. Teil beschäftigen wir uns mit den Insolvenzen des 2. Halbjahres 2024 – darunter ein schwedisches Start-up und der berühmteste Hersteller von Plastikdosen.
Weiterführende Links und Quellen: