Interview mit Sebastian Hasenack, Leiter Online-Vermögensverwaltung Solidvest
An den Börsen wird immer die Zukunft gehandelt

Das Corona-Krisenjahr 2020 war (auch) für Anleger turbulent und mitunter anstrengend. Grund genug für eine kurze Analyse, gemeinsam mit Sebastian Hasenack, dem Leiter Online-Vermögensverwaltung Solidvest. Wir werfen einen Blick zurück und wagen eine Prognose für das laufende Jahr 2021.

Der Rückblick auf das vergangene Jahr: Inwieweit hatte 2020 für Anleger bei Solidvest bzw. generell ein versöhnliches Ende?

Wer die Börsen verfolgt, der weiß: Nach den starken Einbrüchen im Februar und März folgte eine außergewöhnlich starke Rally, die zum Ende des Jahres in einigen Indizes wieder zu Höchstständen führte. Da wir frühzeitig unsere Cashquote erhöht hatten, um Risiko aus unseren Portfolios zu nehmen, konnten wir ebenso frühzeitig die Cashquote wieder reduzieren, um den Erholungseffekt mitzunehmen. Ein wichtiger Indikator unseres Research-Teams war hierbei die steigende Fallzahl in Italien um den 20. Februar. Mit der Möglichkeit direkt in Aktien von Unternehmen zu investieren, haben wir die neuen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen einzelner Branchen in die Kunden-Allokation sehr fokussiert einfließen lassen können.

Rein oder raus? Wie haben sich die Anleger zum Höhepunkt der Krise verhalten?

Verständlicherweise gab es unter den Anlegern Verunsicherung. Bei täglichen Hiobsbotschaften und solch extremen Kursstürzen war nichts anderes zu erwarten. Deswegen sind wir früh aktiv in die Kommunikation gegangen, um unsere Kunden die Situation sachlich darzulegen und Panikreaktionen vorzubeugen. Das hat gut funktioniert und wurde von unseren Kunden sehr positiv aufgenommen.

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Welche Mechanismen sind hilfreich, wenn es zu entsprechenden Entwicklungen wie 2020 kommt? Gibt es da Daten oder Pläne in der Solidvest-Schublade?

Als aktiver Vermögensverwalter ist das Risikomanagement eine unserer wichtigsten Aufgaben. Dazu gehört neben der Portfolio-Gestaltung natürlich auch, dass wir im Krisenfall eingreifen und das Vermögen unserer Kunden schützen. Wie wir agieren ist davon abhängig, womit wir es zu tun haben. Im aktuellen Fall haben wir beispielsweise Aktien aus gefährdeten Sektoren verkauft und insgesamt die Cashquote erhöht.

Solidvest investiert konsequent in Aktien und Anleihen – ihre persönlichen Tops und Flops 2020?

2020 war sicherlich das Jahr der Wachstumsaktien aus dem US-Tech-Sektor. Hier waren einige wenige Werte die Treiber in den wichtigen Indizes und sorgten in der zweiten Jahreshälfte für neue Höchststände. Aber auch einige Unternehmen aus dem Pharma-Sektor konnten, so traurig das klingt, von der Situation profitieren. Besonders hart getroffen hat es logischerweise Unternehmen aus der Touristikbranche. Aber auch viele klassische Industrie-Aktien taten sich im vergangenen Jahr schwer.

Was gehört demnach auf die Buy- oder No-buy-Liste 2021?

Aktuell können wir am Markt einen breiten Aufschwung sehen, was wir grundsätzlich als positiv empfinden. Nachdem 2020 ein Jahr mit stark konzentrierter und enger Marktentwicklung war, könnten wir 2021 auch ein Wiedererstarken von Titeln erleben, die längere Zeit abgemeldet waren. Beispielsweise halten wir es für wahrscheinlich, dass Value Aktien 2021 wieder eine zunehmende Rolle spielen werden. Darüber hinaus verspricht sich vor allem Asien, insbesondere China, in diesem Jahr eine gute Entwicklung. Die Wachstumsprognosen für die Wirtschaft sehen sehr positiv aus, während die USA und Europa noch etwas hinterher sind. Aber auch die US-Techwerte haben mit ihren eindrucksvollen Q4 Zahlen gezeigt, dass mit ihnen weiterhin zu rechnen ist. In diesem Jahr ist aus unserer Sicht eine gute Balance gefragt.

Ihre Prognose für 2021? Was sind die spannenden Themen an den Märkten in diesem Jahr?

Ganz vorne mit dabei ist sicherlich das Thema Nachhaltigkeit in verschiedensten Facetten. Letztlich ist das eine ganzheitliche Herausforderung, die in sich mehrere Megatrends bündelt. Wir haben beispielsweise Elektromobilität, alternative Energiegewinnung und Speichermethoden und die Förderung von CleanTech. Aber eben auch zunehmend saubere Innovation in (momentan) nicht-substituierbaren Branchen wie beispielsweise dem Bergbau. Klimafreundlichkeit ist längst zu einem Wettbewerbsvorteil geworden. Das wirkt sich selbstredend stark auf die Märkte aus. Und auch die Anleger interessieren sich immer mehr dafür.

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Impfstoffe vs. Corona-Mutationen, Hoffnung vs. Angststarre – Inwieweit fahren auch die Börsen auf Sicht und was macht Anlegern Hoffnung bis zum Jahresende?

An den Börsen wird die Zukunft gehandelt, das wissen wir. Deswegen erscheint es vielen Beobachtern auch so als seien die Märkte von der Realwirtschaft entkoppelt. Während die Konjunktur in vielen Ländern noch nicht recht in Schwung kommt, entwickeln sich die Kapitalmärkte sehr positiv. Das hat nicht zuletzt mit den enormen monetären Stimuli zu tun, die von den Zentralbanken ausgehen. Die FED kauft monatlich Anleihen im Wert von 120 Milliarden US-Dollar, die EZB agiert in einem ähnlichen Rahmen. Von dieser Liquidität, die in den Markt gepumpt wird, profitieren die Aktienkurse. Das bedeutet aber nicht, dass die Börsen vor Rücksetzern gefeit sind.

Ein Blick in die USA und den neuen Präsidenten und die FED: Gute Aussichten für Anleger?

Wir dürfen nicht vergessen: Nicht nur das Oval Office ist jetzt demokratisch, auch der Senat hat eine hauchdünne demokratische Mehrheit durch zwei Sitze aus Georgia und die Vize-Präsidenten Kamala Harris. So könnten die Demokraten das geplante gigantische Stimulus Paket von 1,9 Billionen Dollar möglicherweise auch gegen den Widerstand der Republikaner auf den Weg bringen. Grundsätzlich dürfte das den Börsen guttun. Gleichzeitig befürchten einige Beobachter, dass Steuererhöhungen für Unternehmen bevorstehen, was wiederum negative Effekte haben könnte. Ob die so gravierend sind und ob sie dann tatsächlich kommen, wird sich erst noch zeigen. Die FED wird vorerst ihr Kaufprogramm fortführen. Das sollte sich weiterhin positiv auf die Märkte auswirken.


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