Interview mit Daniel Kanzler, Head of Investment der Gerd Kommer Invest GmbH:
Wenn der Anlagehorizont mindestens fünf Jahre beträgt, weiterlaufen lassen.
Die Börse bebt, die Kurse stürzen massiv ab – die Tage nach der Verkündung der US-Zölle durch Präsident Donald Trump waren nichts für schwache Nerven. „Panik“ gehört zudem zu den Begriffen , die Anleger gar nicht gerne hören. Wie aber mit dem Zustand der Unsicherheit umgehen? Wir sprachen dazu mit Daniel Kanzler, Head of Investment der Gerd Kommer Invest GmbH.
Das US-Zollpaket hat ein Börsenbeben ausgelöst. Was empfehlen Sie Anlegern derzeit? Wer sollte aktiv werden und wer nicht?
Wer sich strategisch richtig aufgestellt und nur den Teil seines Vermögens in risikobehaftete Anlagen investiert hat, den er mit hoher Wahrscheinlichkeit in den nächsten fünf Jahren nicht braucht, der sollte gelassen auf die aktuellen Entwicklungen blicken oder sie einfach vollständig ausblenden. Alle, die sich mit ihrem Depot derzeit unwohl fühlen, sollten nach der Erholung darüber nachdenken, sich strategisch mit einer geringeren Aktienquote aufzustellen.
Ein weltweites Aktienportfolio hatte seit 1900 bereits 6 x einen zwischenzeitlichen Einbruch von mindestens 45 Prozent erlebt. Rücksetzer sind also ganz normal und gehören dazu. Wer bisher ein konzentriertes Investment gefahren hat, z. B. weil er nur auf einen lokalen Aktienmarkt oder nur auf eine Branche gesetzt hat, sollte darüber nachdenken breiter zu diversifizieren. Die Weltwirtschaft kann nicht pleitegehen. Das gilt jedoch nicht für einzelne Teile davon oder gar einzelne Unternehmen.
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Also verkaufen und Verluste einstreichen oder Medien abschalten und tief durchatmen?
Letzteres.
Wie lässt sich der aktuelle Crash einordnen? Ist der Bodensatz demnächst erreicht oder beschleunigt sich der Kursrutsch weiterhin?
Stand Montagnachmittag liegt der Kursrückgang am Weltaktienmarkt bei unter 20 Prozent – verglichen zum Höchststand und verglichen zu Anfang 2024 ist immer noch ein Plus zu verzeichnen. Damit gehört er zumindest bisher nicht zu den größten. Zu zweiterer Frage lässt sich seriös keine Einschätzung geben, da diese von den weiteren politischen Entscheidungen zu Zöllen und Gegenzöllen abhängen wird.
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Was würde den Markt stabilisieren?
Eine bessere Planbarkeit und insbesondere Berechenbarkeit und Verlässlichkeit der US-Regierung dürften am meisten helfen. Aktuell sorgt die Ungewissheit bezüglich der Verhandlungsbereitschaft, aber auch der Verlässlichkeit in Bezug auf Aussagen der US-Regierung für Unsicherheit an den Märkten.
Was ist Ihr Best-Case- und was das Worst-Case-Szenario?
Im besten Fall werden wir bald in einer Welt leben, in der es weniger Zölle und geringere Handelsbarrieren und Subventionen der lokalen Wirtschaft auf allen Seiten als zuvor gibt. Das könnte zu einem mittelfristig stärkerem Wirtschaftswachstum führen als erwartet. Auf der anderen Seite des Spektrums werden die Zölle gegenseitig hochgefahren und Verhandlungen bleiben lange ergebnislos. In so einem Fall käme es nicht nur zu noch weiteren Verlusten am Aktienmarkt, sondern auch zu massiven Verlusten in der Realwirtschaft und einer Weltwirtschaftskrise.
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Wenn der Anlagehorizont mindestens fünf Jahre beträgt, weiterlaufen lassen.