Interview mit Alexander Höptner, Sprecher der Geschäftsführung, Börse Stuttgart
Digitalisierung heißt für uns, den Kunden in den Mittelpunkt zu stellen
Digitalisierung nutzen und die Börse für den Privatanleger öffnen. Das ist die Vision der Börse Stuttgart. Über Kryptowährungen, künstliche Intelligenz und die Innovationsfähigkeit einer Börse – ein Interview mit Alexander Höptner auf Brokervergleich.de
Kurz und knapp: Was macht die Börse Stuttgart attraktiv?
Wir zeichnen uns durch unseren Fokus auf den Privatanleger aus. Privatanleger müssen individuell angesprochen werden, sie benötigen Zugang zu relevanten Produkten, besonders hohe Transparenz und auf sie zugeschnittene Informationen. Darüber hinaus ist ein bestimmtes Handelsmodell notwendig, um Privatanleger auf Augenhöhe mit institutionellen Anlegern zu bringen. In Deutschland muss es einen Börsenplatz geben, der diese Belange abdeckt – und das ist die Börse Stuttgart.
Top-Thema 2018 sind Kryptowährungen. Handelt es sich um eine Geldanlage oder eine Wette?
Ich würde nicht sagen, dass es sich um eine Wette handelt. Allerdings sind Kryptowährungen auch kein standardisiertes Anlageprodukt, sondern ein Spekulationsobjekt. Es ist indes kein Geheimnis mehr, dass uns zumindest die Technologie hinter den Kryptowährungen langfristig erhalten bleibt. Wird sie exakt so bleiben, wie sie heute ist? Das glaube ich weniger. Werden die Tokens in ihrer derzeitigen Form weiter existieren? Nicht notwendigerweise. Sie werden aber auch nicht verschwinden.
Wie wird die Börse Stuttgart das Thema aufnehmen?
Wir haben aktuell unsere neue App BISON angekündigt. Mittels BISON wird der Nutzer ab Herbst 2018 in der Lage sein, Kryptowährungen gebührenfrei, unkompliziert und sicher zu handeln. Statt irgendwo auf der Welt ein Konto einrichten zu müssen, reicht es künftig, die App herunterzuladen und ein deutsches Girokonto zu hinterlegen. Der Handel erfolgt zu verbindlichen An- und Verkaufspreisen, die in der App angezeigt werden.
Surftipp: Börse Stuttgart startet BISON App »
Müssen Kryptowährungen reguliert werden und lässt sich ein weltweites Phänomen überhaupt regional regulieren?
Wir sollten nicht unbedingt die Kryptowährungen regulieren, sondern die Art und Weise, wie sie gehandhabt werden. Der Bitcoin an sich ist nicht schlecht, aber manche Akteure nutzen ihn für unlautere Zwecke. Wir müssen Prozesse hinterfragen: Wer darf was? Wie werden Investoren geschützt? Wie kommen Stabilität und Transparenz in den Markt? An dieser Stelle geht es jetzt darum, das Thema auf die nächste Ebene zu heben.
Muss der Regulierer bei Kryptowährungen noch ein paar Hausaufgaben machen?
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Bitcoin nicht die Blockchain ist. Der Token hat, vereinfacht gesagt, nichts mit der Infrastruktur zu tun. Einige Regulierungsbehörden, wie die FINMA in der Schweiz, sind bereits sehr weit bei der Bewertung der Zusammenhänge. Andere tun sich etwas schwerer. Auch wenn viele auf Deutschland blicken: In dieser Hinsicht sind wir sicherlich nicht die Vorreiter.
Die Schwierigkeit der Regulierung liegt prinzipiell in der Feinjustierung. Wird regulatorisch überzogen, stottert der Markt und bleibt irgendwann stehen. Das schadet gleichzeitig der Technologie hinter den Kryptowährungen. Gewährt der Regulierer hingegen zu viele Freiheiten, überdreht der Markt – mit negativen Folgen in vielerlei Hinsicht.
Was bringt das Jahr, abseits des Bitcoins?
Wie erwähnt liegt unser Fokus auf dem Privatanleger. Deshalb müssen wir unsere Tore öffnen, wenn der Kunde Zeit zum Handeln hat. So haben wir vor kurzem die Handelszeiten bei verbrieften Derivaten erweitert: Eine Vielzahl von Produkten ist jetzt zwischen 8:00 und 22:00 Uhr handelbar. Wir wollen den Handel mit allen relevanten Produkten anbieten, die den Privatanleger interessieren – und zwar in einem verlässlichen Rahmen und zu vorteilhaften Preisen. Deshalb bauen wir das Produktspektrum kontinuierlich aus.
Darüber hinaus sind neue Kommunikationskanäle relevant. Die Finanzwelt ist sehr komplex geworden. Als Privatanlegerbörse bieten wir Orientierung und geben Antworten auf konkrete Fragestellungen.
In dieser Hinsicht ist die Digitalisierung ihr Thema?
Digitalisierung heißt für uns, den Kunden in den Mittelpunkt zu stellen. Wie können wir ihn bei seinen Investmententscheidungen und bei deren Umsetzung unterstützen?
2017 haben wir die Tochtergesellschaft Boerse Stuttgart Digital Ventures gegründet, mit der wir im Start-up-Bereich Partnerschaften eingehen und Investitionen tätigen. Ein Beispiel ist das FinTech Sowa Labs, das jetzt die BISON-App entwickelt.
Darüber hinaus kommt es für uns als überschaubar großes Unternehmen darauf an, sich auf die eigene Wendigkeit und Innovationsfähigkeit zu besinnen. Dann können wir digitale Neuerungen rasch angehen und umsetzen.
Wo liegen die großen Herausforderungen?
Im Rahmen der Digitalisierung eröffnen sich neue Wege, wie Finanzmarktplätze zukünftig Geld verdienen. Der Wettbewerb bei Transaktionsentgelten ist schon sehr intensiv, die Spreads als Differenz zwischen An- und Verkaufspreisen sind bei liquiden Produkten sehr eng oder ganz verschwunden.
Deshalb müssen wir uns beispielsweise Gedanken über Daten und Datenanalyse machen. Entscheidungsunterstützung durch intelligente Informationssysteme kann in Zukunft ein wichtiger Service werden. Der Kunde hätte dann die Wahl, ob er eine solche Unterstützung wünscht oder nicht – jeweils verbunden mit einem bestimmten Gebührenmodell.
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Ist es eine Strategie, den Kunden zu leiten und an bestimmten Punkten in die für ihn passende Richtung zu bewegen?
Es gibt am Finanzmarkt viele Investoren, die sich intensiv mit Anlagen auseinandersetzen und sich sehr gut auskennen. Das trifft aber nicht für die breite Masse zu. Diese Menschen interessieren sich nicht für Geldanlage, weil sie das Thema für zu komplex halten. Indes besteht auch hier Bedarf an sinnvollen Anlagemöglichkeiten. Wie können wir diese Menschen unterstützen?
Wir haben die Vision, dass Kunden ihr Mobiltelefon anschalten und direkt relevante Informationen erhalten – ähnlich wie Hotel- oder Restauranttipps. Anhand der Interessen des Anlegers wird das weite Feld der Finanzprodukte auf eine Handvoll reduziert – mithilfe künstlicher Intelligenz. Zusätzlich erfährt er, in welche Anlagen andere Gruppenmitglieder oder Bekannte investiert haben. Zigtausend Produkte alleine zu durchforsten, ist nicht mehr zeitgemäß.
Was ist „the next big thing“ für die Börse Stuttgart?
Für uns ist es der Start von BISON. Als Börse das Thema Kryptowährungen zu besetzen, halten wir für wichtig. Wir wollen es mit einem anderen Bewusstsein für Sicherheit mitgestalten, mit besseren Standards und für eine breitere Öffentlichkeit.
Alexander Höptner (geb. 1970) ist seit 1. Januar 2017 Geschäftsführer der Boerse Stuttgart GmbH und verantwortet das Ressort Sales/IT. Im Januar 2018 übernahm Alexander Höptner die Funktion des Sprechers der Geschäftsführung der Boerse Stuttgart GmbH und vom Aufsichtsrat zum Sprecher des Vorstands der EUWAX AG bestellt. Zwischen 2001 und 2015 war Alexander Höptner für die Deutsche Börse AG tätig. Nach seinem Ausscheiden baute Höptner mit zwei Start-ups einen globalen Marktplatz für den Handel von virtuellen Gütern auf.