Abgeltungsteuer – Das Wichtigste für Privatanleger im Überblick
Jeder Anleger, der Kursgewinne realisiert, Zinsen oder Dividenden erhält, muss darauf die Abgeltungsteuer zahlen.
Obwohl der Steuerabzug vom jeweiligen Broker automatisch vorgenommen wird, gibt es wichtige Ausnahmen, die jeder Anleger wissen sollte. Diese und andere wichtige Themen zur Besteuerung Ihrer Kapitalanlage werden Ihnen im folgenden Beitrag verständlich näher gebracht.
Inhaltsverzeichnis
Die Grundlagen der Abgeltungsteuer
Was genau ist die Abgeltungsteuer?
Die Abgeltungsteuer ist die pauschale Besteuerung von Erträgen aus privatem Kapitalvermögen. Dazu zählen gewöhnlich Kursgewinne, Dividenden und Zinsen.
Der Steuerabzug erfolgt an der Quelle – Ihr Online-Broker führt den Steuerbetrag direkt an das Finanzamt ab.
Ziel der Abgeltungsteuer ist die Vereinfachung der Besteuerung aus Kapitalvermögen. Durch den Steuerabzug der Kapitalerträge an der Quelle entfällt die Angabe in der Steuererklärung des Anlegers.
Bis zu welchem Freibetrag muss keine Abgeltungsteuer bezahlt werden?
Die Abgeltungsteuer greift erst für Erträge, die über dem so genannten Sparer-Pauschbetrag liegen. Ledige dürfen 801 Euro, Ehepaare 1.602 Euro von ihren Kapitalerträgen steuerfrei behalten. Sämtliche Kapitalerträge bis zum Freibetrag werden steuerfrei ausbezahlt.
Der Sparer-Pauschbetrag muss in der Regel mit einem Freistellungsauftrag für Kapitalerträge direkt beim Online-Broker beantragt werden. Ein Freistellungsauftrag gilt stets für das ganze Kalenderjahr, er wird unbefristet erteilt.
Was passiert mit Erträgen aus Anteilen, die vor der Einführung der Abgeltungsteuer erworben wurden?
In der jetzigen Form wurde die Abgeltungsteuer am 1. Januar 2009 eingeführt. Davor wurden Kapitalerträge und Kursgewinne unterschiedlich besteuert. Es galt die so genannte Kapitalertragsteuer mit individueller Veranlagung im Zuge der Einkommensteuererklärung.
Kursgewinne aus Aktien konnten zum Beispiel nach Ablauf einer einjährigen Spekulationsfrist steuerfrei realisiert werden. Ebenso galt das sogenannte Halbeinkünfteverfahren, bei dem Zinsen und Dividenden nur zur Hälfte besteuert wurden.
Was passiert nun mit Erträgen aus Anlagen, die vor 2009 erworben wurden? Hier gilt ein uneingeschränkter Bestandsschutz. Sie fallen nicht unter die Regeln der Abgeltungsteuer und werden nach alter Rechtslage versteuert.
Welche (Wertpapier-)Erträge sind von der Abgeltungsteuer betroffen?
Aktien
Erträge aus Aktien können Dividenden sowie Kursgewinne sein. Beide Ertragsarten unterliegen der Abgeltungsteuer.
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Aktienfonds
Erträge, egal ob vom Fonds ausgeschüttet oder thesauriert, unterliegen der Abgeltungsteuer. Ebenso sind Gewinne, die aus dem Verkauf von Fondsanteilen resultieren, stets steuerpflichtig.
Anleihen
Erträge aus Anleihen können Zinserträge und Gewinne aus Kurssteigerungen sein. Beide Ertragsarten unterliegen der Abgeltungsteuer.
Offene Immobilienfonds
Die Ausschüttungen von offenen Immobilienfonds gehören steuerlich zu den Einkünften aus Kapitalvermögen und unterliegen demnach ebenfalls der Abgeltungsteuer.
Allerdings müssen Erträge aus Auslandsimmobilien nicht versteuert werden. Außerdem gilt bei Immobilien die zehnjährige Spekulationsfrist. Wenn zwischen Kauf und Verkauf mindestens zehn Jahre liegen, bleibt ein Veräußerungsgewinn steuerfrei. Wird ein Objekt danach mit Gewinn verkauft, fällt keine Abgeltungsteuer an.
Geschlossene Immobilienfonds
Auch geschlossene Immobilienfonds profitieren von der zehnjährigen Spekulationsfrist. Gewinne aus Verkäufen sind für den Fondseigner danach abgeltungsteuerfrei. Ebenso werden Auslandsimmobilien an ihrem jeweiligen Standort besteuert und fallen nicht unter die Abgeltungsteuer.
Im Bereich der geschlossenen Fonds sollte jedoch generell auf die steuerlichen individuellen Gegebenheiten geachtet und im Zweifel ein Steuerberater konsultiert werden.
Zertifikate
Auf Kapitalerträge aus Zertifikaten sowie für Gewinne aus dem Verkauf von Zertifikaten wird die Abgeltungsteuer fällig.
Die Berechnung der Abgeltungsteuer
Wie hoch ist die Abgeltungsteuer?
Der Steuersatz beträgt pauschal 25 %. Hinzu kommt der Solidaritätszuschlag (5,5 % der Abgeltungsteuer) und gegebenenfalls die Kirchensteuer (8 % bzw. 9 % der Abgeltungsteuer).
Wie wird die Abgeltungsteuer berechnet?
Im folgenden einfachen Beispiel wird angenommen, dass ein nicht kirchensteuerpflichtiger Single 2.000 Euro Kapitalertrag erhält.
Für die Höhe der zu zahlenden Abgeltungsteuer ergibt sich folgende einfache Beispielrechnung:
Kapitalertrag | 2.000 Euro |
abzüglich Sparerpauschbetrag | – 801 Euro |
ist gleich zu versteuernder Kapitalertrag | 1.199 Euro |
davon pauschale Abgeltungsteuer (25 %) | 299,75 Euro |
zuzüglich Solidaritätszuschlag (5,5 %) | 16,49 Euro |
ist gleich zu zahlende Abgeltungsteuer | 316,24 Euro |
Für umfangreichere Berechnung gibt es den Abgeltungssteuerrechner
In der Regel wird Geld nicht nur einmal angelegt, sondern längerfristig in Etappen angespart.
Die Berechnung der Abgeltungsteuer wird komplex, da in einem ersten Schritt die Höhe der Erträge sowie in einem zweiten Schritt die darauf zu zahlende Abgeltungsteuer berechnet werden muss.
Hier geht’s zum Abgeltungssteuerrechner
Der Abgeltungssteuerrechner nimmt Arbeit ab und berechnet die Zinsen sowie die dazugehörigen Steuern. Dabei spielt es keine Rolle, ob einmalig Geld anlegt wird oder wahlweise zusätzlich in monatlichen, viertel-, halb-, oder jährlichen Raten gespart wird, die Anlagedauer sowie der Zinssatz sind frei wählbar. Der Freibetrag wird ebenso berücksichtigt.
Verluste werden mit Gewinnen verrechnet, bevor der Fiskus zugreift
Entstehende Verluste werden mit Gewinnen innerhalb eines Kalenderjahres verrechnet, bevor sie mit der Abgeltungsteuer belastet werden.
Verluste aus Kapitalgeschäften dürfen jedoch nicht mit anderen Einkunftsarten, sondern nur innerhalb derselben Einkunftsart verrechnet werden. Hier wird außerdem nach der Art der negativen Einkünfte der Kapitalerträge unterschieden. Es werden zwei so genannte Verlustverrechnungstöpfe gebildet:
1.) Aktien – Verlustverrechnungstopf: Verluste aus Aktienverkäufen werden mit Gewinnen aus Aktienverkäufen verrechnet.
2.) Allgemeiner – Verlustverrechnungstopf: Alle sonstigen Verluste werden mit Gewinnen aus der Veräußerung von Wertpapieren verrechnet
Ein verbleibendes Minus wird dabei zeitlich unbegrenzt ins Folgejahr vorgetragen.
Die Verlustverrechnung geht vor Nutzung des Freistellungsauftrages, das bedeutet:
- Erst werden die Verluste verrechnet.
- Dann wird der Sparer-Pauschbetrag in Anspruch genommen und
- Schließlich wird Abgeltungsteuer abgezogen.
Ein Beispiel: Ein Anleger verliert 500 Euro aus einem Aktienverkauf. Diese 500 Euro sind jetzt als nicht verrechneter Verlust im Aktien-Verlustverrechnungstopf vermerkt. Der kurze Zeit später entstehende Gewinn aus einem anderen Aktienverkauf in Höhe von 300 Euro wird mit dem Verlust verrechnet – es wird keine Abgeltungsteuer fällig. Die aus der Verrechnung übrig gebliebenen 200 Euro bleiben bis zur nächsten Verrechnung im Verlustverrechnungstopf erhalten.
Ratschläge für weniger Abgeltungsteuer
Kann die Abgeltungsteuer komplett vermieden werden?
Abgeltungsteuer lässt sich in der Regel nicht vermeiden, wenn die jährlichen Kapitalerträge über dem Sparer-Pauschbetrag liegen.
Es gibt jedoch eine Ausnahme: Geringverdiener, deren Einkommen unter einem bestimmten Grundfreibetrag liegen, können beim Finanzamt eine so genannte Nichtveranlagungsbescheinigung beantragen. In dieser geben Sie die zu erwartenden Einkünfte an. Liegt das Einkommen unter dem Grundfreibetrag, erhalten Sie die Bescheinigung vom Finanzamt.
Liegt eine Nichtveranlagungsbescheinigung vor, führt der Online-Broker keine Abgeltungsteuer an den Fiskus ab.
Das ist vor allem für Kinder und Rentner interessant, da diese in der Regel keine Arbeitseinkünfte beziehen. Insbesondere dann, wenn Vermögen auf Kinder übertragen wird und die daraus erzielten Erträge den Freibetrag übersteigen.
Kann die Abgeltungsteuer teilweise vermieden werden?
Liegt der persönliche Grenzsteuersatz unter dem Abgeltungsteuersatz, kann die Veranlagung zum günstigeren Einkommensteuersatz erfolgen.
Trotzdem ist der Online-Broker dazu verpflichtet, die Abgeltungsteuer einzubehalten und an das Finanzamt zu überweisen. Die bereits abgeführte Abgeltungsteuer kann im Rahmen der Einkommensteuererklärung erstattet werden. Dazu nimmt das Finanzamt eine sogenannte Günstigerprüfung vor.
So lässt sich die Abgeltungsteuer temporär verschieben
Von der Abgeltungsteuer werden nur Wertpapieranlagen von Online-Brokern im Inland erfasst. Anleger, die ihre Wertpapiere bei einem ausländischen Broker, wie zum Beispiel LYNX handeln, rechnen die Steuern im Rahmen der jährlichen Einkommenssteuererklärung ab.
Rechtliche Probleme
Verlustverrechnung bei Aktien und Termingeschäften
Teilweise stehen Regelungen zur Abgeltungsteuer, insbesondere zur Verlustverrechnung bei Aktien und Termingeschäften, auf dem Prüfstand der Verfassungsmäßigkeit.
Das betrifft Anleger insofern, da seit 2021 Verluste aus Termingeschäften nur begrenzt steuerlich absetzbar sind. Höchstens 20.000 Euro solcher Verluste können pro Steuerjahr angerechnet werden. Höhere Einbußen müssen auf mehrere Jahre verteilt werden.
In einem konkreten Fall setzte das Finanzgericht Rheinland-Pfalz (1 V 1674/23) den Steuerbescheid aus, da dessen Rechtmäßigkeit zweifelhaft erschien. Ein Anleger erzielte mittels Differenzkontrakten (CFDs) Gewinne von 250.000 Euro, verzeichnete jedoch auch Verluste von 227.000 Euro, von denen nur 20.000 Euro steuerlich anerkannt werden sollten. Laut des Finanzgerichts sei die betragsmäßige Begrenzung der Verlustverrechnung möglicherweise nicht verfassungsgemäß, da sie zu einer asymmetrischen Besteuerung von Gewinnen und Verlusten führt, ohne sachliche Gründe.
Eine endgültige Entscheidung liegt hier aber noch nicht vor, da das Finanzamt gegen die Aussetzung Beschwerde einlegte, nun liegt die Entscheidung beim Bundesfinanzhof. Eine abschließende Klärung könnte das Bundesverfassungsgericht herbeiführen, das bereits seit Jahren zur Verfassungsmäßigkeit der beschränkten Verlustverrechnung bei der Abgeltungsteuer Stellung nehmen soll. Das Finanzgericht Niedersachsen (FG Niedersachsen v. 18.3.2022 – 7 K 120/21) hatte in einem anderen Verfahren einen Vorlagebeschluss eingereicht, um eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen.
Das Gericht sah im Sondersteuersatz der Abgeltungssteuer einen Verstoß gegen das Gebot der Gleichbehandlung aller Einkunftsarten und einer gleichmäßigen Besteuerung nach der individuellen Leistungsfähigkeit gemäß Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes. Als Begründung für einen Verstoß führt das Finanzgericht an, dass private Kapitalerträge gemäß § 32d EStG einheitlich mit 25 Prozent besteuert werden, während andere Einkünfte dem progressiven Einkommensteuertarif gemäß § 32a EStG unterliegen. Der Steuersatz für private Kapitalerträge liegt somit deutlich unter dem Spitzensteuersatz für progressiv besteuerte Einkünfte von 42 Prozent bzw. 45 Prozent.
Die Problematik mit der Abgeltungssteuer ist somit nicht neu, sondern seit einiger Zeit umstritten.
Betroffene Anleger sollten Einspruch gegen ihre Steuerbescheide einreichen und vorerst das Ruhen des Verfahrens beantragen. Das ist im deutschen Prozessrecht beispielsweise möglich, wenn eine relevante Entscheidung in einem anderen Verfahren abgewartet werden muss – wie hier die des Bundesverfassungsgerichts.
Fazit
Die Abgeltungsteuer ist eine so genannte Quellensteuer – das heißt sie wird vom jeweiligen Broker direkt an das Finanzamt abgeführt.
Das erleichtert den Umgang, denn es entfällt die Aufstellung der jährlichen Kapitalerträge in der Steuererklärung.
Trotzdem sollte jeder Anleger die steuerliche Seite der Geldanlage verstehen. Denn mit der
- Erteilung eines Freistellungsauftrags,
- der Vorlage einer Nichtveranlagungsbescheinigung sowie
- der richtigen Auswahl an Wertpapieren
lässt sich die Abgeltungsteuer zumindest teilweise vermeiden.