Verluste wertloser Wertpapiere steuerlich geltend machen

Wer Aktien kauft, hofft nicht nur auf solide Dividenden, sondern auch darauf, dass der Wert der Aktie steigt und er irgendwann Kursgewinne realisieren kann. Spätestens seit dem Wirecard-Skandal dürfte sich herumgesprochen haben, dass Aktien allerdings auch wertlos werden können. Nun werden die Papiere des Zahlungsdiensteanbieters zwar noch gehandelt, aber nicht mehr für 195 Euro, wie zu besten Zeiten, sondern nur noch für 35 Cent das Stück. Wenn schon keine Gewinne mehr zu erwarten sind, sollten Aktionäre wenigstens noch steuerlich einen kleinen Nutzen von dem Verlust haben.

Das Wichtigste in Kürze:

  • Update: Baldiger Stopp der Verlustverrechnungsbeschränkung bei Aktien?
  • Gerichte erkennen für einen Totalverlust mit Aktien sowohl die Ausbuchung als auch den Verkauf zu einem Symbolpreis an.
  • Übersteigen die Transaktionskosten den Verkaufserlös, führt dies nicht zur Aberkennung der steuerlichen Abzugsfähigkeit.
  • Totalverluste aus Aktien können pro Jahr mit maximal 20.000 Euro auf Gewinne aus Aktiengeschäften angerechnet werden.
  • Bei Totalverlusten von mehr als 20.000 Euro empfiehlt sich ein Widerspruch gegen den Steuerbescheid, da die Frage offen ist, ob die Maximierung verfassungskonform ist.

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Gesetzgeber räumt steuerliche Optionen bei Totalverlusten ein

Im Jahr 2018 kam Bewegung in das Thema der steuerlichen Behandlung bei Totalverlusten. Die Finanzbehörden kannten bis dahin mit Anlegern, deren Investment wertlos wurde, kein Pardon. Weder konnten aus dem Depot ausgebuchte Aktien mit anderen Aktiengewinnen verrechnet werden, noch Verluste, wenn diese Papiere für einen symbolischen Preis von einem Cent den Besitzer wechselten.

Im ersten Fall argumentierten die Behörden damit, dass kein Eigentümerwechsel stattgefunden hätte, der Voraussetzung für die Anerkennung der Verluste sei. Im zweiten Fall lautete das Argument, dass zwar ein Eigentümerwechsel stattfand, die Transaktionskosten jedoch den Wert der Aktien überstiegen (1).

Im Jahr 2018 hatte ein Anleger in Rheinland-Pfalz auf die steuerliche Anerkennung seiner Verluste geklagt, nachdem die Papiere aus dem Depot ausgebucht wurden. Das Finanzamt verweigerte die Anerkennung mit dem Hinweis auf den fehlenden Eigentümerwechsel. Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz sah den Sachverhalt anders. Eine wertlose Aktie bedeute, dass die Rückzahlung auf das eingezahlte Kapital ausbleiben wird. Grundlage bildet der Paragraf 20, Abs. 2, Satz 2 EStG (2), der eine Rückzahlung mit einer Veräußerung gleichsetzt (3).

Bezüglich des symbolischen Verkaufs wertloser Aktien hat sich der Bundesfinanzhof geäußert. Der Verkauf wertloser Aktien stellt grundsätzlich keinen Gestaltungsmissbrauch dar. Es bleibt jedem überlassen, zu kaufen oder zu verkaufen, was er möchte zu einem Preis, den er möchte. Dies stellt keinen Verstoß gegen das Steuerrecht im Sinne des Paragrafen 20, Abs. 2, Satz 2 EStG dar. Dabei spielt es auch keine Rolle, wenn die Kosten für die Transaktion den Wert der gehandelten Papiere übersteigen.

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Änderungen ab 2020 – Paragraf 20, Abs. 6, EStG

Trotz der Urteile, welche den Anlegern gegenüber den Finanzämtern den Rücken stärkten, gab es immer wieder Diskussionen über die Verfahrensweise der Verlustanrechnung. Mit einer Novelle im Jahr 2020 schuf der Gesetzgeber mit Paragraf 20, Abs. 6 zumindest hinsichtlich der Höhe der verrechenbaren Verluste klare Verhältnisse:

„Verluste aus Kapitalvermögen dürfen nicht mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen werden; … Verluste aus Kapitalvermögen im Sinne des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 3 dürfen nur in Höhe von 20 000 Euro mit Gewinnen … verrechnet werden.“

Pro Jahr kann ein Anleger maximal 20.000 Euro Totalverlust aus Aktien mit Gewinnen aus anderen Aktiengeschäften verrechnen. Übersteigt sein Totalverlust 20.000 Euro, ist ein Verlustvortrag über weitere 20.000 Euro für das Folgejahr möglich.

Angenommen, ein Anleger erwirtschaftet im Laufe eines Jahres 30.000 Euro Gewinn mit Aktien. Auf der anderen Seite hat er aber einen Totalverlust mit einem Papier in Höhe von 25.000 Euro. Nach der aktuellen Rechtslage muss er für das laufende Jahr zunächst 10.000 Euro Gewinne versteuern, obwohl ihm netto nur 5.000 Euro bleiben.

Baldiger Stopp der Verlustverrechnungsbeschränkung bei Aktien?

Der Bundesfinanzhof (BFH) hält die Verlustverrechnungsbeschränkung bei Aktien für verfassungswidrig und hat daher dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe mit Beschluss vom 17.11.2020 (VIII R 11/18) die Frage vorgelegt, ob § 20 Abs. 6 Satz 5 Einkommenssteuergesetz (EStG) eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung darstellt.

Der BFH erkennt keinen rechtfertigenden Grund warum Aktienverluste nur mit Aktiengewinnen und nicht mit sonstigen Kapitaleinkünften verrechnet werden dürfen.[1]

Sollte das Bundesverfassungsgericht derselben Ansicht sein wie der Bundesfinanzhof, hätte das Urteil grundlegende Bedeutung für alle Kapitalanleger. In der Folge könnten Gewinne und Verluste aus verschiedenen Anlageklassen miteinander verrechnet werden, was eine massive Erleichterung für die deutschen Anleger darstellen würde.

Unsere Empfehlung

Durch die aktuelle Rechtsprechung und gültige Gesetzeslage hat sich auch die Frage erübrigt, ob man wertlose Aktien lieber ausbuchen oder besser für einen symbolischen Preis weiterverkaufen soll. Vor diesem Hintergrund erübrigen sich eigentlich Empfehlungen. Aber wir haben gelernt, dass ein Urteil, in diesem Fall des Finanzgerichtes Rheinland-Pfalz, von einem Berliner Finanzamt möglicherweise nicht zwingend anerkannt wird. Vor diesem Hintergrund sollten sich Anleger, die mit Aktien einen Totalverlust erlitten, im Vorfeld der Steuererklärung an ihr zuständiges Finanzamt wenden. Es macht Sinn, sich bestätigen zu lassen, welche Variante, Ausbuchen oder Verkauf, dort Anerkennung findet.

Es ist nicht auszuschließen, dass die Maximierung der abzugsfähigen Verluste auf 20.000 Euro pro Jahr als verfassungswidrig eingestuft wird. Ein Klageverfahren ist unter dem Aktenzeichen Az: 2 BvR 1951/20 bereits anhängig. Übersteigen die Verluste 20.000 Euro, sollten Betroffene durch Widerspruch gegen den Steuerbescheid diesen nicht bestandskräftig werden lassen.

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